Dokument wird geladen
DIE ERNÄHRUNG Österreichische Fachzeitschrift für Wissenschaft, Recht, Technik und Wirtschaft 1 wirtschaft economy VOLUME 49 | 03/04.2025 Erfolg zwischen Tradition und Innovation Seite 4 Brückenschlag in die Zukunft Seite 8 I G N V F © volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION ABSTRACTED IN CHEMICAL ABSTRACTS ABSTRACTED IN SCOPUS I N E W 0 8 0 1 , 4 1 / 7 E S S A G N A R O L F , I I I H B M G N E D E M T N R P V P S I M 9 0 1 0 4 0 Z 4 1 Z M G A T S O P E H C S H C E R R E T S Ö I I
2 wirtschaft economy Höchste Qualität von der Saat bis zum Öl Weltweit nachgefragt - VFI Öle für höchste Ansprüche VFI Experten helfen gerne bei speziellen Lösungen für Ihre anspruchsvollen Produktentwicklungen und Claims: AMA zertifi ziert mit österreichischer Herkunft, Bio-Rückverfolgbar, mit speziellen Health Claims, geeignet für Babynahrung, palmölfrei und viele mehr. VFI entwickelt gemeinsam mit Ihrem Team die passende Rezeptur für Ihre Anwendung. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten und kontaktieren Sie VFI für ein Gespräch. VFI – Öle und Fette aus Österreich Bio und konventionell Für alle Lebensmittel Für Snacks Für Süßwaren Für Fertiggerichte Für Backwaren Für Säuglingsnahrung Für Fleischverarbeiter Für Milchverarbeiter www.vfi -oilsforlife.com ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 4600 Wels, Austria T +43 7242 47356 0 vfi @vfi -oilsforlife.com
INHALT — 04 WIRTSCHAFT economy 4 Erfolg zwischen Tradition und Innovation 8 Brückenschlag in die Zukunft 10 Laudatio für Hans Marihart 12 Neue Fachverbandsspitze in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie 16 Landwirtschaft 4.0 – natürlich und künstlich intelligent 19 Agrifood wird fit für 2050! — 20 TECHNIK technology 20 Luftig leicht aus Erbsenschaum 21 Innovation durch Kooperation – Lebensmittel Cluster NÖ 22 Kostenoptimierung bei Verpackung 24 Mundgerechte Hühnerstücke aus dem Labor 26 ChatGPT in der Lebensmittelanalyse 28 Listerien: Gar nicht „Wurst“ 30 Nie wieder ranzige Haselnüsse 32 Biofilme – eine unsichtbare Gefahr 35 Die Schärfe von Chili zähmen — 36 WISSENSCHAFT science 36 „Lebensmittelauthentizität“ – neues/altes Problem bei Lebensmitteln 40 „Lebensmittelauthentizität“ – neue/alte Herausforderungen für die Analytik — 46 RECHT law 3 3 inhalt content Liebe Leserin, lieber Leser, — unter dem Motto „Brückenschlag in die Zukunft“ markiert diese Ausgabe einen besonderen Wende- punkt: Mit Mag. Stephan Büttner, CEO der AGRANA, übernimmt ein neuer Obmann die Spitze des Fach- verbands und löst damit den lang- jährigen und erfolgreichen Obmann KR DI Johann Marihart ab. Die formale Übergabe stand im Mittel- punkt des heurigen Empfangs der Lebensmittelindustrie – ein Anlass, der nicht nur den Generationswech- sel, sondern auch die Wettbewerbs- fähigkeit unserer Branche in den Fokus rückte. Was es für Wettbewerbsfähigkeit braucht und wie Unternehmen sich auf zukünftige Herausforderungen einstellen können, ist auch Thema des CEO-Interviews mit Walter Scherb, dem Eigentümer des er- folgreichen Familienunternehmens Spitz mit Sitz in Attnang-Puchheim. Und auch auf informative fachliche Schwerpunkte rund um das Thema Lebensmittelauthentizität können Sie gespannt sein. Freuen Sie sich zudem wieder auf eine spannende Zeitreise mit Michael Blass – diesmal führt sie 50 Jahre in die Ver- gangenheit. Ein Ausblick: Im Herbst werden die neuen ALIMENTARIUS- Preisträger vorgestellt – die erste aus- gezeichnete Arbeit wartet bereits in der kommenden Ausgabe auf Sie. Viel Freude beim Lesen! 46 Von Imitaten und Alternativen: Rechtliche Bewertung von Alternativprodukten zwischen Bezeichnungsschutz und Alltagssprache 52 Ein Jahrhundertgesetz für dreißig Jahre 45 Impressum Katharina Koßdorff volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
4 wirtschaft economy ERFOLG ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION DIE ERNÄHRUNG SPRACH MIT WALTER SCHERB, CEO DER SPITZ UNTERNEHMENSGRUPPE, ÜBER EXPORTERFOLGE, STRATEGISCHE ENTWICKLUNGEN UND HERAUSFORDERUNGEN, NACHHALTIGKEIT UND INNOVATIONEN SOWIE DIE WÜNSCHE FÜR EINE WEITERHIN ERFOLGREICHE ZUKUNFT DES FAMILIENUNTERNEHMENS. OSKAR WAWSCHINEK D ie Ernährung: Wie ist das Jahr 2024 aus Ihrer Sicht für Spitz zusammenzu- fassen? Walter Scherb: 2024 war für uns insgesamt ein erfolgreiches Jahr und ei- nes der weiteren Weichenstellung. Trotz turbulenten Jahren zuvor – geprägt von Pandemie, Lieferkettenproblemen und Energiekrise – ist es uns dank unserer zukunftsfitten Ausrichtung gelungen, sehr gut auf sich verändernde Markt- bedingungen zu reagieren. So konnten wir trotz herausfordernder Rahmenbe- dingungen erfolgreich wirtschaften und zusätzliche Kundinnen und Kunden gewinnen, unsere Produktionsprozesse weiter modernisieren und optimieren, neue Produkte erfolgreich einführen und wichtige Partnerschaften ausbauen. Welche Herausforderungen sehen Sie für 2025? Scherb: Die Unsicherheiten bleiben: Energiepreise, geopolitische Spannungen und vor allem volatile Rohstoffmärkte – Stichwort Kakao, Eiprodukte, u. ä. - beeinflussen unsere Branche weiterhin stark. Auch regulatorische Anforderun- gen und Zölle können ein Thema für uns werden. Daher bin ich überzeugt, dass der von uns vor einigen Jahren ein- geschlagene organisatorische Weg – eine schlagkräftige, funktionale Aufstellung mit einem hochkompetenten und mo- tivierten Team – bei einem gleichzeitig großen Fokus auf technische und tech- nologische Expertise, der richtige Weg ist, um anpassungsfähig und umset- zungsstark agieren zu können. Welche strategischen Ziele haben Sie gesetzt? Scherb: Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen mit leistbaren Lebens- mitteln in hoher Qualität zu versorgen. Unsere Kernprozesse in der gesamten Unternehmensgruppe sind die Produk- tion und Vermarktung und daher die Weiterentwicklung in diesen Bereichen. Um dies zu erreichen, setzen wir auf ein marktorientiertes Portfoliomanagement, die Forcierung neuer Vertriebskanäle und den Ausbau unserer Exportmärkte. Gleichzeitig investieren wir in moderne Produktionstechnologien, Digitalisie- rung und Automatisierung, um unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit auch Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Welche Erfolge sind Ihnen bisher gelun- gen? Was freut Sie persönlich am meisten? Scherb: Wenn ich auf die letzten 5 Jahre im Unternehmen zurückblicke, ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 © ANTJE WOLM
6 wirtschaft economy © SPITZ LUFTAUFNAHME 2023 bin ich besonders stolz auf den großen Umfang an Investitionen, den wir in Zeiten, in denen viele Unternehmen stark unter Druck waren, umgesetzt haben. Das hat unsere Positionierung als kompetenter Industriepartner für die Entwicklung und Produktion von Eigenmarken für den Lebensmittelein- zelhandel und als der österreichische Co-Packing Spezialist massiv gestärkt. Dadurch ist es uns gelungen, bestehende Partnerschaften auszubauen, neue Kun- dinnen und Kunden im internationalen Lebensmitteleinzelhandel zu gewinnen und vor allem unsere B2B-Vertriebsakti- vitäten zu erhöhen. Besonders hervorzu- heben ist die in der Lebensmittelbranche noch neue Gruppe der Influencer, die beispielsweise eigene Getränke auf den Markt bringen und auf die Zusammen- arbeit mit erfahrenen Herstellern setzen. In unserem eigenen Brand Business ist mein persönliches Highlight die Einfüh- rung der Gasteiner 100% natural Do- sen in unterschiedlichen fruchtigen Ge- schmacksrichtungen und die Gründung der Gasteiner Infinity Music Tour. Hier agieren wir als Host und Supporter von about Zum Unternehmen — Nachhaltige Entwicklung gehört da- bei ebenso zu den festgelegten Eck- pfeilern wie Kundenorientierung, Technologieantrieb und Mitarbei- terfokus. Spitz vereint langjährige Erfahrung und Experten-Knowhow mit innovativen Konzepten sowie ein- zigartigen Produkten und ist stolz auf seine Wertschöpfungstiefe. Spitz und seine Tochterunternehmen Gasteiner Mineralwasser Gesellschaft mbH und Honigmayr Handelsgesellschaft mbH erzeugen vom Rohstoff bis zum fertigen Endprodukt an drei österrei- chischen Standorten (Attnang-Puch- heim, Bad Gastein und Tenneck). Das heimische Traditionsunternehmen Spitz mit Hauptsitz im oberösterrei- chischen Attnang-Puchheim operiert seit mehr als 160 Jahren als erfolgrei- cher Lebensmittelproduzent. Rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter erzielen über 300 Mio. € Umsatz. Täglich laufen 3,2 Mio. Produkte von mehr als 40 Produktionslinien. ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 Musik Events, um damit möglichst vie- len Menschen bleibende positive Erinne- rungen zu ermöglichen und gleichzeitig die heimische Musikszene zu stärken. Dabei möchten wir nicht nur nationalen und internationalen Größen, sondern auch aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne bieten. Welche Rolle spielt der Export für Ihr Unternehmen? Scherb: Eine sehr große. Im abge- laufenen Geschäftsjahr erzielten wir gut die Hälfte unseres Umsatzes im Ausland – Tendenz steigend. Unsere Produkte sind aktuell in mehr als 20 Ländern weltweit erhältlich. Der Export ist für uns ein wichtiger Wachs- tumstreiber und hilft uns, Risiken regi- onal zu diversifizieren. Sie haben erst kürzlich die Abfüllung für Stroh Rum übernommen. Wie ent- wickelt sich der österreichische Markt generell? Scherb: Die Kooperation mit Stroh zeigt, dass wir mit unserer jahrzehnte- langen Expertise in der Entwicklung, Herstellung und Abfüllung von Spiri- tuosen und aufgrund unserer Produkti- onskompetenz als Industriepartner ge- schätzt werden und daher das Vertrauen von renommierten Marken gewinnen können. Da der Spirituosenmarkt in Österreich insgesamt rückläufig ist, si- chert die Bündelung von Kompetenzen Arbeitsplätze, stärkt den Spitz-Standort in Attnang-Puchheim und wird sich po- sitiv auf den Erfolg beider Unternehmen auswirken.
7 wirtschaft economy Wie sehen Sie die Situation für die hei- mische Lebensmittelindustrie mit dem stark konzentrierten Lebensmittelein- zelhandel? Scherb: Die Marktkonzentration stellt uns alle vor Herausforderungen. Preis- und Margendruck sind dadurch enorm. Strategische Partnerschaften und eine vertrauensvolle Basis sind daher wesentliche Erfolgsfaktoren in der Zu- sammenarbeit zwischen Industrie und Handel. Finden Sie ausreichend qualifizierte Ar- beitskräfte? Scherb: Der Fachkräftemangel war in den letzten 1 bis 2 Jahren auch bei uns spürbar – besonders in technischen und produktionsnahen Bereichen. Seit einiger Zeit ist die Situation bei Bewer- berinnen und Bewerbern gut, d. h. mehr Bewerbungen insgesamt und auch viele in hoher Qualität. Ein Grund dafür ist, dass die Lebensmittelbranche ein siche- res und stabiles Arbeitsumfeld bietet, auch bei Berufsbildern, die vielleicht nicht unmittelbar mit Lebensmitteler- zeugung in Zusammenhang gebracht werden, wie zum Beispiel bei Jobs in der IT oder bei Lehrberufen wie Elekt- ro- und Metalltechnik. Außerdem setzen wir verstärkt auf Aus- und Weiterbil- dung, Kooperationen mit Schulen und FHs sowie auf zahlreiche Maßnahmen zur Mitarbeitendenbindung. Stichwort Nachhaltigkeit: Welche Maß- nahmen haben Sie gesetzt und was wird noch kommen? Scherb: In der betrieblichen Nachhaltigkeit haben wir beispiels- weise mit dem stetigen Ausbau von Photovoltaikkapazitäten, dem Betrieb eines eigenen Biomasse- Kraftwerks, der Implementierung eines integrierten Abfallmanagements und der Reduktion von Lebensmittelabfäl- len, dem Vorantreiben von Energieef- fizienzmaßnahmen, u.v.m. bereits viel erreicht. Künftig wollen wir in Zusam- menarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden noch stärker produktbezogene Nachhaltigkeitsaspekte wie Reduktion und Kreislauffähigkeit von Verpackun- gen und CO2-Reduktion investieren. Nachhaltigkeit ist für uns kein Trend, sondern gehört zu unserem zentralen unternehmerischen Selbstverständnis. person Zur Person — Biographie Walter Scherb ist Teil der Inhaberfamilie und seit 2019 CEO des Lebensmittel- und Geträn- keherstellers S. Spitz GmbH mit Sitz in Attnang-Puchheim. Der gebür- tige Oberösterreicher studierte in London an der School of Economics und war vor seinem Einstieg in das österreichische Familienunterneh- men im Jahr 2016 einige Jahre für McKinsey in der internationalen Managementberatung tätig. © SPITZ Welchen Stellenwert haben Innovatio- nen für Sie? Scherb: Innovation ist für uns weit mehr als nur Produktentwicklung und neue Produktkonzepte. Wir sehen uns als Partner, der Ideen von Kundinnen und Kunden versteht, weiterentwickelt und effizient und marktreif umsetzt. Un- sere breite technologische Basis, unsere Flexibilität in der Produktion und un- ser tiefes Marktverständnis machen uns zum idealen Sparringspartner für maß- geschneiderte Innovationen – sei es bei neuen Rezepturen, Verpackungslösun- gen oder ganzheitlichen Produktkonzep- ten. Gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden bringen wir Innovationen auf den Markt, die echten Mehrwert schaffen. Wie sehen Sie den Standort Österreich allgemein – welche Vor- und welche Nachteile gibt es? Scherb: Österreich bietet hohe Le- bensqualität, gut ausgebildete Fachkräf- te und politische Stabilität – das sind klare Pluspunkte. Gleichzeitig sind die Lohn- und Energiekosten hoch, und die Bürokratie ist oft eine Herausforderung. Dennoch: Wir bekennen uns klar zu un- seren drei österreichischen Standorten und investieren laufend in diese. Wie sehen Sie Lieferkettengesetze und entsprechende ähnliche EU-Initiativen? Scherb: Grundsätzlich begrüßen wir Initiativen, die faire und nachhaltige Lie- ferketten fördern. Wichtig ist aber, dass die Umsetzung praxisnah erfolgt und ös- terreichische und europäische Unterneh- men nicht überfordert. Was würden Sie sich für Ihr Unterneh- men speziell und für die Lebensmittel- industrie generell von der Bundesregie- rung wünschen? Scherb: Mehr Planungssicherheit, weniger Bürokratie und moderne und gezielte Förderungen. Die Lebensmittel- industrie ist systemrelevant – das sollte sich auch in der politischen Unterstüt- zung widerspiegeln. Was würden Sie sich von der sprich- wörtlichen Guten Fee wünschen? Scherb: Ein bisschen mehr Wert- schätzung für die Lebensmittelbranche – von Politik, Handel und Konsumen- tinnen und Konsumenten. Und vielleicht ein paar zusätzliche Stunden pro Tag, um all die Ideen umzusetzen, die wir noch haben. Was ist Ihr Lieblingsessen? Scherb: Das ist schwierig, festzu- machen. Für mich ist Essen nicht nur Genuss, sondern auch Ausdruck von Kultur, Handwerk und Verantwortung. Ob ein bodenständiges Gericht aus hei- mischen Zutaten oder ab und an auch etwas Exotisches aus der Ferne – ent- scheidend ist für mich die Qualität, die Sorgfalt in der Herstellung und der be- wusste Umgang mit Lebensmitteln. volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
8 empfang reception BRÜCKENSCHLAG IN DIE ZUKUNFT DER 22. JAHRESEMPFANG DER ÖSTERREICHISCHEN LEBENSMITTELINDUSTRIE AM 12. JUNI 2025 STAND GANZ IM ZEICHEN DES BRÜCKENSCHLAGS IN DIE ZUKUNFT IM FACHVERBAND DER NAHRUNGS- UND GENUSSMITTELINDUSTRIE. JOHANN MARIHART E hrlich gesagt dachte ich nicht, dass ich meine letzte Begrü- ßungsrede als Obmann mit dem unfassbaren Leid begin- nen muss, das der furchtbare Amoklauf in der Grazer Schule insbesondere über die Opfer und ihre Familien gebracht hat. Gestern gab es um 10:00 Uhr eine bundesweite Trauerminute. Dem schlie- ßen wir uns heute ausdrücklich an. Wir haben den heutigen Abend nicht abgesagt, weil ich sicher bin, dass die schrecklichen Ereignisse in Ihren Ge- sprächen viel Raum haben werden. Da- mit sehe ich am besten erfüllt, was Bun- deskanzler Stocker in der Situation als wichtig erachtet hat: • Zusammenstehen als Gemeinschaft, • Anteilnahme und • Kraft schöpfen durch Zusammenhalt! Ich bedanke mich. Gestatten Sie mir nun, zum wirtschafts- politischen Teil meiner Ausführungen zu kommen: Sowohl die neue EU-Kommis- sion als auch die neue Bundesregierung haben ihre Pläne vorgelegt. Die Erwar- tungen unserer Branche an Brüssel und Wien sind groß. Denn es ist dringlich, dass diesen Plänen auch Taten folgen! Die EU-Kommission hat nun den richti- gen Weg eingeschlagen: Statt des Green Deal steht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Fokus. Jetzt gilt es, die wirtschaftliche Stärke Europas wiederzufinden. Denn: Ohne Industrie gibt es keinen nachhaltigen Wohlstand. Und ohne heimische Le- bensmittelindustrie keine verlässliche Versorgung! Die Regierung muss heuer und nächstes Jahr über 15 Milliarden Euro einsparen, denn das Budgetdefizit liegt bei 4,5 Pro- zent des BIP. Umso wichtiger ist daher das Regierungsprogramm mit dem Fokus auf Leistung, Wettbewerb und Bürokra- tieabbau. Die Erwartungen unserer Bran- che sind hoch, dass dieses Programm für mehr Wettbewerbsfähigkeit auch tat- sächlich umgesetzt werden kann. Denn die im internationalen Vergleich höheren Arbeits- und Energiekosten in Österreich als Folge inflationstreibender Weichen- stellungen in der Corona-Zeit belasten unsere Unternehmen erheblich. Hinzu kommt die täglich steigen- de Mühsal der vielen Regulierungen: Die bürokratischen Lasten aus Liefer- kettengesetz oder Nachhaltigkeitsbe- richterstattung haben – auch für große Unternehmen – untragbare Ausmaße angenommen. Aus der Hoffnung, das Lieferkettengesetz gleich wieder abzu- schaffen, wird wohl nichts werden, aber dem Vorhaben sollten zumindest die gif- tigsten Zähne gezogen werden! Wachsende Herausforderungen wie der Klimawandel, KI-Technologien und weltweite Konflikte verändern die Welt, in der wir leben, umbruchsartig. Die wirtschaftliche Lage war in den letzten Monaten alles andere als einfach – und wie es aussieht, wird dies auch in naher Zukunft so sein. Zusätzlichen Druck erzeugt die erpresserische Handelspo- litik der US-Regierung, die mit Zöllen ausschließlich eigene Interessen verfolgt. Das bringt weltweit Unsicherheit auf den Märkten. Für viele unserer Mit- gliedsunternehmen verschärft dies die ökonomische Situation weiter. Der verheerende Krieg in der Ukraine findet in unmittelbarer Nähe zu Öster- reich statt. Unsere Solidarität mit der EU-Kommission, der ukrainischen Be- völkerung zu helfen, ist unverändert gegeben, ebenso unser Wille zu helfen. Doch Maßnahmen wie die zollfreie Ein- fuhr von Agrarwaren aus der Ukraine bringen den europäischen Markt weiter unter Druck. Während Zölle in Rich- tung Ukraine abgebaut werden, erhöhen die USA ihre Einfuhrbarrieren. Interna- tionale Hilfe ist wichtig und richtig, aber sie darf nicht auf Kosten unserer land- wirtschaftsnahen Branche gehen und damit wesentliche Bausteine der europä- ischen Selbstversorgung gefährden. Hinzu kommen logistische Herausfor- derungen. Aufgrund der Krisenlage im Nahen Osten und des Gazakriegs kön- nen viele Frachtschiffe den Suezkanal nicht passieren und müssen stattdessen den Umweg über das Kap nehmen. Das verlängert die Transportzeit um rund einen Monat und treibt Logistik- und Rohstoffkosten weiter in die Höhe. Umso wichtiger ist es jetzt daher, be- stehende Partnerschaften im Export zu stärken und auszubauen und neue Zu- kunftsmärkte zu erschließen – etwa in Rede zum 22. Empfang der österreichischen Lebensmittelindustrie am 12. Juni 2025 in Wien ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
9 empfang reception Asien (vor allem Japan), Kanada oder Australien, wo Potenzial und Kaufkraft vorhanden sind. Der Export ist und bleibt mit 2/3 am Produktionsvolumen der Taktgeber unserer Branche. Trotz massiver Herausforderungen – von der Corona-Pandemie bis zu den globalen Krisen – zeigen unsere Unter- nehmen der Nahrungs- und Genussmit- telindustrie täglich Stärke und Einsatz. Auch wenn Planbarkeit zur Ausnahme geworden ist: Sie halten die Wirtschaft am Laufen. Sie schaffen und sichern Arbeitsplätze, gewährleisten die Versor- gung mit sicheren und qualitativ hoch- wertigen Lebensmitteln, Getränken und Futtermitteln und tragen entscheidend zum Wohlstand in diesem Land bei – und das unter ständig steigendem Kos- tendruck. Auch unser Fachverband nimmt seinen Teil der Verantwortung wahr: Der Aus- schuss hat deshalb wie schon im Vorjahr heute Nachmittag eine weitere Senkung der Grundumlage beschlossen. Das ist ein konkreter Beitrag zur Entlastung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Darüber hinaus hat der Ausschuss heu- te eine neue, hochkarätig besetzte Ver- bandsspitze samt Präsidium gewählt, die Sie in Kürze persönlich kennenlernen werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen wei- terhin viel Kraft, Ausdauer und Zuver- sicht! KR DI Johann Marihart, Obmann des Fachverbands der Lebensmittelindustrie volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION © HUSAR/FV
10 empfang reception LAUDATIO FÜR HANS MARIHART DER 22. JAHRESEMPFANG DER ÖSTERREICHISCHEN LEBENSMITTELINDUSTRIE AM 12. JUNI 2025 STAND GANZ IM ZEICHEN DES BRÜCKENSCHLAGS IN DIE ZUKUNFT IM FACHVERBAND DER NAHRUNGS- UND GENUSSMITTELINDUSTRIE. FRANZ FISCHLER H ans Marihart nimmt heute Abschied als Obmann des Lebensmittelindustrie-Ver- bandes und gibt diese Funk- tion, die er seit dem Jahr 2005 – also 20 Jahre lang – mit Bravour gemeistert hat, an die nächste Funktionärsgeneration weiter. Mir fällt die ehrenvolle Aufgabe zu, aus diesem Anlass eine Laudatio zu halten. Nachdem ich dafür nur 15 Minuten Zeit habe, ist es nicht möglich, deinen gesam- ten beruflichen Werdegang, die Vielzahl deiner Funktionen und die Fülle deiner Auszeichnungen auch nur aufzuzählen. Und um ehrlich zu sein, ich will das auch nicht, denn das kann man ja alles selber nachlesen. Vielmehr geht es mir darum, diese Gele- genheit zu nutzen, um dir für alle deine großartigen Leistungen Danke zu sagen. Was du für die österreichische Lebens- mittelbranche, für die österreichische Landwirtschaft zum Wohle Österreichs insgesamt und für die Europäische Uni- on geleistet hast, ist einmalig und ich kann dir dazu nur herzlich gratulieren. Immerhin ist die österreichische Le- bensmittelindustrie mit ihren 200 Her- stellern, 27.000 Beschäftigten und ei- nem Umsatz vom 12 Milliarden Euro eine der größten Industriebranchen in unserem Land. Diese Branche sichert 150.000 Arbeitsplätze und ermöglicht mit ihren Leistungen die Souveränität in der Nahrungsmittelversorgung Ös- terreichs. Einem Verband vorzustehen, der 33 Lebensmittelbranchen unter ei- nem Dach vereint – was nicht unbedingt heißt, dass diese immer einer Meinung sind – und das 20 Jahre lang, das ist schon für sich eine respektable Leistung. Die 20 Jahre deiner Obmannschaft wa- ren aber noch dazu eine Schlüsselzeit für die Entwicklung der österreichischen Le- bensmittelindustrie. Mit dem EU-Beitritt Österreichs ist es zu einem Paradigmen- wechsel in der Lebensmittelbranche ge- kommen. War der Lebensmittelsektor vorher fast ausschließlich auf den öster- reichischen Markt fokussiert, werden hingegen mittlerweile über 10 Milliar- den Euro aus dem Export in 180 Staaten der Welt erwirtschaftet. Dieser Erfolg konnte nur gelingen, weil es möglich war, die einzelnen Glieder der Lebens- mittelbranche zu einer belastbaren Pro- duktionskette zusammenzuspannen. Was das jedoch an Initiativen, Gesprä- chen, Verhandlungen, Interventionen und auch Auseinandersetzungen erfor- dert hat, können nur jene ermessen, die an diesem Prozess unmittelbar beteiligt gewesen sind. Und da bist du immer in der 1. Reihe gestanden. Wenn man genauer hinschaut, was in diesen 20 Jahren und schon vorher - im- merhin warst du seit 1992 Vorstands- vorsitzender der AGRANA - alles ge- schehen ist, dann kann man nur sagen: Chapeau - das ist großartig! Ich erinnere mich noch - als ob es ges- tern gewesen wäre - an die umfang- reichen Vorbereitungen auf den EU- Beitritt. Es galt, die österreichischen Marktordnungen aufzubrechen und da- für die europäischen Marktordnungen einzuführen, europäische Standards zu übernehmen, Strukturen zu verändern und unsere Produkte auf neuen Märk- ten zu platzieren. Es war von Anfang an klar, dass das nur gelingen konnte, indem wir versucht haben, uns nach Möglichkeit von der europäischen Stan- dardware abzuheben. Als ich dafür den Slogan vom „Euro- päischen Feinkostladen“ geprägt habe, haben zunächst manche die Nase ge- rümpft. Doch du hast diese Linie immer unterstützt. Ein großes Dankeschön da- für! Du hast dir auch große Verdienste er- worben, als es darum ging, nach dem EU-Beitritt einen Modernisierungsschub des österreichischen Lebensmittelsektors zustande zu bringen, die Möglichkeiten des neu geschaffenen AMA-Gesetzes zu nützen und das Image der österreichi- schen Lebensmittel zu modernisieren. Doch nicht genug damit: Auch auf der europäischen Ebene hast du als Präsi- dent des europäischen Zuckerindust- rieverbandes deine Spuren hinterlassen. Du hast in dieser Funktion wesentlich dazu beigetragen, dass die Reform der europäischen Zuckermarktordnung Rede zum 22. Empfang der österreichischen Lebensmittelindustrie am 12. Juni 2025 in Wien ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
11 empfang reception © HUSAR/FV gelungen und das Überleben der eu- ropäischen Zuckerindustrie gesichert worden ist. Du warst aber auch immer ein zäher Verteidiger der Interessen deiner Bran- che sowohl unter den Sozialpartnern als auch gegenüber der Regierung und der Europäischen Kommission. Für all das: Ein herzliches Dankeschön von uns allen! Du warst fast drei Jahrzehnte lang Lenker eines börsennotierten Kon- zerns, hattest daneben fünf Obmann- schaften und 11 weitere Funktionen in wichtigen Organisationen inne und hast dann noch Zeit für deine Familie und für deine kulturellen Interessen gefunden. Wenn man all das Gesagte Revue passieren lässt und wenn man darüber hinaus deine Vita durchliest, drängt sich die Frage auf: Wie macht das der Hans Marihart? Arbeitet er rund um die Uhr? Welches Geheimnis hat er? Ich bin dieser Frage ein wenig nachge- gangen, konnte dein Geheimnis aber nicht zur Gänze lüften. Einen Hinweis konnte ich in deinem Sternzeichen fin- den. Hans Marihart ist Schütze und da heißt es: „Der Schütze macht ihn zu ei- nem weltoffenen Energiebündel, das sei- nem Umfeld viel Offenheit und Ehrlich- keit entgegenbringt.“ Mit Sicherheit eine viel größere und wichtigere Rolle spielen da deine Frau und die Familie, die für dich immer schon ein Kraftort und eine große Stüt- ze gewesen sind. Es war sicher auch wichtig, dass du dein Handwerk nicht als smarter Student in einer Business School, sondern durch ein anspruchs- volles naturwissenschaftliches Studium an der TU Wien erlernt hast. Ob das alles als Erklärung ausreicht? Si- cher nicht. Die vielleicht beste Erklärung hast du in einem Interview aus Anlass deines 65. Geburtstages selbst geliefert. Da hatte dich die Redakteurin des New Business Magazins gefragt, welches Tier du am liebsten wärst und deine spon- tane Antwort war: ein Elefant. Deine Begründung dazu war: „Elefanten sind sozial, familiär, klug und wenn es sein muss, auch gefährlich.“ Eine Eigenschaft hast du damals nicht erwähnt: Elefanten sind auch ungeheuer langlebig. Und genau das wünschen wir dir alle heute: Noch viele gesunde und glückliche Jahre im Kreise deiner Fami- lie und Freunde. Ad multos annos! DI Dr. Franz Fischler, Bundesminister und EU-Kommissar a.D. volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
12 empfang reception NEUE FACHVERBANDSSPITZE IN DER NAHRUNGS- UND GENUSSMITTELINDUSTRIE Führende Persönlichkeiten im Fachverbandsausschuss stehen für die Stärke und Bedeutung der Branche AM 22. JAHRESEMPFANG DER ÖSTERREICHISCHEN LEBENSMITTELINDUSTRIE AM 12. JUNI 2025 FAND DIE STAFFELÜBERGABE IM FACHVERBAND DER NAHRUNGS- UND GENUSSMITTELINDUSTRIE AN DEN NEU GEWÄHLTEN OBMANN MAG. STEPHAN BÜTTNER STATT. OSKAR WAWSCHINEK I n der konstituierenden Ausschuss- sitzung des Fachverbands der Nah- rungs- und Genussmittelindustrie Österreich am 12. Juni wurde Mag. Stephan Büttner zum neuen Obmann gewählt. Als erfolgreicher Lebensmit- telmanager und CEO der AGRANA übernimmt Stephan Büttner für die kommenden fünf Jahre den Vorsitz an der Verbandsspitze. Er löst den langjäh- rigen Obmann KR DI Johann Marihart ab, der dem Fachverband fast zwei Jahr- zehnte erfolgreich vorgestanden ist und mit einer Laudatio durch Bundesminister und EU-Kommissar a.D. DI Dr. Franz Fischler gewürdigt wurde. Als Obmann-Stellvertreter wurden KR Mag. Walter Scherb, S. Spitz GmbH und Mag. Jürgen Rauch, Rauch Fruchtsäfte GmbH & Co OG, wiedergewählt. Neu in das Präsidium aufgenommen wur- den Mag. Michaela Hysek-Unterweger, Unterweger Früchteküche GmbH und Mag. Gerald Hackl, VIVATIS Holding AG. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen im Präsidium und im Fachverbandsausschuss und darauf, unsere Branche nachhaltig zu stärken. In diesen wirtschaftlich herausfordern- den Zeiten brauchen wir vereinte Kräf- te, damit unsere Lebensmittelhersteller Mag. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin Fachverband der Lebensmittelindustrie, Obmann Mag. Stephan Büttner, Vorstandsvorsitzender AGRANA Beteiligungs-AG, Bundesminister und EU-Kommissar a. D. DI Dr. Franz Fischler, KR DI Johann Marihart, Mag. Michaela Hysek-Unter- weger, Unterweger Früchteküche GmbH, KR Mag. Walter Scherb, S. Spitz GmbH (v.l.n.r.) © FV/HUSAR im Inland und auf den Exportmärkten wieder wettbewerbsfähig sind. Das ist besonders für unsere exportstarke Le- bensmittelindustrie wichtig. Denn rund zwei von drei in Österreich erzeugten Lebensmitteln gehen ins Ausland. Das heißt konkret: Weniger Regulierung und leistbare Energie- und Arbeitskosten! Denn nur eine wettbewerbsfähige Nah- rungs- und Genussmittelindustrie kann auch künftig Wohlstand und Jobs im Land schaffen“, sagte der frisch gewähl- te Obmann Büttner im Anschluss an die Sitzung. © FV/HUSAR KR DI Johann Marihart, Obmann Mag. Stephan Büttner, Vorstandsvorsitzender AGRANA Be- teiligungs-AG (re.) ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
13 empfang reception Mitglieder des Fachverbandsausschusses 2025–2030 Franz Fischler, Johann Marihart Walter Scherb, Michaela Hysek-Unterweger, Stephan Büttner V F / R A S U H © Johann Marihart, Stephan Büttner Daniela Philipp
14 empfang reception Franz Fischler, Marie-Christine Ribera, Johann Marihart Walter Scherb, Stephan Büttner, Daniela Philipp Katharina Koßdorff Florian Berger Team des Fachverbands mit Johann Marihart und Stephan Büttner Katharina Koßdorff Katharina Koßdorff, Stephan Büttner, Franz Fischler, Michaela Hysek-Unterweger Karin Trimmel, Anne Glatz, Eugen Lamprecht Andreas Kadi, Hagen Pleile Walter Schwartz, Stefanie Bardach, Irene Braunsteiner, Carsten Egle, Josef Domschitz Eugen Lamprecht, Cédric Boehm Michaela Schellner, Karin Steinhart, Josef Domschitz, Lena Karasz ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
15 empfang reception Manfred Müllner, Michael Freudenthaler Josef Domschitz, Robert Figgener, Birgit Howorka, Andreas Wunsch, Stephan Aigner, Richard Lachout, Christian Weinberger Birgit Wagner, Paul Unterweger, Michaela Hysek-Unterweger Michaela Schellner, Stephan Büttner, Robert Pichler Oskar Wawschinek, Franz Fischler V F / R A S U H © volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
16 wirtschaft economy LANDWIRTSCHAFT 4.0 – NATÜRLICH UND KÜNSTLICH INTELLIGENT DIGITALISIERUNG UND KÜNSTLICHE INTELLIGENZ GEWINNEN IN LANDWIRTSCHAFT UND LEBENSMITTELPRODUKTION IMMER MEHR AN BEDEUTUNG. DAS BEEINFLUSST NICHT NUR EINZELNE ARBEITSSCHRITTE UND PRODUKTIONSWEISEN, SONDERN FÜHRT AUCH ZU EINEM CHANGE DES EINST SO TRADITIONELLEN BÄUERLICHEN BERUFSBILDES. MARTIN HIRT D amit auch in diesem Frühjahr viele Menschen wieder eine Vielzahl von Spargelgerichten genießen können, ist davor harte und mühsame körperliche Arbeit während der Ernte des begehrten Gemü- ses erforderlich. Ob dies in zehn Jahren in dieser Form immer noch überall so sein wird, darf bezweifelt werden – denn längst wird an vollautomatisierten und fahrerlo- sen Ernterobotern gebastelt, die nicht nur physische Arbeit reduzieren, sondern für manchen Betrieb die immer schwieriger zu findenden Erntehelfer sogar gänzlich ersetzen könnten. Das weltweit erste Gerät diese Art war vergangenes Jahr erstmals für Demonstrationszwecke in Österreich im Einsatz: Die in den Niederlanden ent- wickelte Maschine wurde für die Ernte von Weißspargel konzipiert und erkennt mit Farbkameras, KI und Laser die aus der Erde spitzenden Stangen, um diese auto- matisch abzuschneiden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich speziell in der Landwirtschaft punkto Digitalisierung viel getan: Beginnend mit dem Durchbruch des Smartphones und der Verwendung von Apps, mit denen kontinuierlich das be- vorstehende Agrarwetter oder die Prog- nosewahrscheinlichkeit für das Auftre- ten von Pflanzenkrankheiten beobachtet wird, sind mittlerweile eine Vielzahl di- mit den 2000er Jahren konnten Anbau- geräte aus der Traktorkabine gesteuert werden, etwa zu selben Zeit hielten die ersten automatischen Melksysteme Ein- zug auf österreichischen Betrieben. Gene- rell durchdrangen Technikinnovationen in der Tierhaltung wie Melk- und Fütte- rungsroboter etwas früher den Markt als jene für Acker- und Pflanzenbau – nicht zuletzt, da die Umgebung im Stall kont- rollierbarer und somit leichter zu steuern ist, als jene unter freiem Himmel. Dabei erwies sich die Kleinstrukturiert- heit der österreichischen Landwirtschaft einmal mehr als Vorteil: Während in an- deren Ländern mit großen Agrarstruk- turen von Beginn an flächendeckend in neue Systeme investiert wurde, die nicht immer den Erwartungen gerecht wurden und bei unerwartetem Ausfall teilweise sogar zu lästiger Mehrarbeit führten, investierten Familienbetriebe erst nach und nach in neue Technologien. Da- durch wurde die Beseitigung so mancher Anfangsschwierigkeit abgewartet und erst nach eingehender Prüfung und Bera- tung neue Technik angeschafft. I H C E R R E T S Ö K L Martin Hirt © gitaler Helferleins auf den – im interna- tionalen Schnitt immer noch vergleichs- weise kleinen – österreichischen Höfen zu finden. Selbst einige Dutzend völlig autonome Feldroboter für Aussaat und mechanische Unkrautregulierung sind dabei bereits im Einsatz. Evolution statt Revolution Im Vergleich zu anderen Wirtschafts- bereichen, wie etwa dem Handels- oder Dienstleistungssektor, sind elektronische und digitale Techniken in der Landwirt- schaft bereits länger erprobt. Beginnend Precision Farming Das Wesen der Digitalisierung ist die Generierung und Verarbeitung von Da- ten, auf deren Grundlage Prozesse ge- steuert werden. Diese datengetriebenen ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
17 wirtschaft economy bei schlechter Sicht entlastet. Darüber hinaus sind solche Lenksysteme Basis für das, was man gemeinhin „Precision Farming“ nennt: Durch die exakte, zen- timetergenaue Verortung der Aussaat einzelner Pflanzen können folglich alle weiteren Arbeitsschritte exakt auf den jeweiligen Kleinststandort abgestimmt werden. Diese unschlagbare Effizienz- steigerung soll auch Erwartungen in ökologischer Hinsicht erfüllen: So be- kommt jede Pflanze genau die Menge an Nährstoffen, die sie für das Wachstum benötigt – nicht mehr und nicht weniger. Wie viel das wiederum genau ist, wird durch Satellitendaten oder Sensoren er- rechnet. Autonome Robotik Die Arbeitsbelastung auf landwirt- schaftlichen Betrieben, die hauptsäch- lich von familieneigenen Arbeitskräften getragen wird, ist nach wie vor eine sehr große. Nicht zuletzt deswegen haben sich aus der Fülle an Innovationen, die jedes Jahr neu auf den Agrartechnik- messen dieser Welt vorgestellt werden, in Österreich vorrangig jene durchge- setzt, die genau hier Abhilfe schaffen. Die Milchwirtschaft als traditionell sehr arbeitsintensiver Betriebszweig zählt in Österreich mittlerweile über 2.000 Melk roboter. Dabei kann der persönliche Arbeitsaufwand der Melk- arbeit deutlich reduziert werden, da die Der Spargelernteroboter „Compact S9000“ aus den Niederlanden soll bis zu 9.000 Spargel- stangen pro Stunde ernten © RWA/AIL/BALBER Prozesse sind für Beobachter auf den ersten Blick unsichtbar – denn was in ei- nem Traktor, einer Melkmaschine oder einer sonstigen Maschine passiert, sieht man nicht. Ist man jedoch schon einmal in einer der hierzulande rund 10.000 au- tomatisch gelenkten Landmaschinen ge- sessen, dann erkennt man, wie moderne Landwirtschaft das umsetzt, wofür Tesla & Co. auf der Straße noch einige Jahre brauchen werden. Mithilfe solcher automatischen Lenksys- teme bewegen sich Traktoren auf einem Feld bei jeder Überfahrt immer auf ex- akt denselben Spuren, wie einmalig vom Nutzer festgelegt; egal ob beim Anbau, der Bodenbearbeitung, der Dün- gung oder sonstigen Arbeitsschritten. Dadurch werden Überlappungen ver- mieden, Betriebsmittel wie Treibstoff, Dünger und Pflanzenschutz eingespart und zusätzlich der Fahrer vor allem IHR PARTNER IN ÖSTERREICH FÜR FRUCHT-, GEMÜSEPULVER UND FLEISCHPRODUKTE Michael Lang Product Manager tel.+41 78 882 04 77 (direkt) lang@trawosa.ch TRAWOSA AG Poststrasse 15, CH-9000 St.Gallen tel. +41 71 844 98 40, fax. +41 71 844 98 49 www.trawosa.ch volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
18 wirtschaft economy © INNOVATION FARM Der Farmdroid hat vier Solarpanels auf dem „Dach“, um genügend Energie für Aussaat und Beikrautregulierung zu tanken. Milchkühe jederzeit nach Belieben den automatisierten Melkstand eigenständig betreten – und somit mehrere Male am Tag gemolken werden. Zurück zu den Feldrobotern Die im Vergleich zu üblichen Traktorgrö- ßen etwas zierlich anmutenden Geräte kommen zum Teil sogar ohne fossilen Antrieb aus und überqueren mit Solar- paneel und kleiner Batterie ausgestat- tet rund um die Uhr die vorgegebenen Felder. Dort säen sie bestimmte Kul- turpflanzen wie Zwiebeln, Zucker- rüben oder Karotten aus und hacken anschließend kontinuierlich allfälliges Unkraut zwischen den Gemüsepflan- zen aus. Auch diese Art von Robotern sind meist mit einem Navigationsgerät ausgestattet, das ihnen genau vorgibt, wo gehackt werden sollte, und wo nicht. Neuere Geräte benötigen diese Art von Satellitennavigation gar nicht mehr und finden sich mithilfe von Ka- mera und Künstlicher Intelligenz völ- lig autonom innerhalb des Feldes zu- recht. Rentabilität und Grenzen der Technik Bäuerinnen und Bauern, die solche Ro- boter auf ihren Feldern im Einsatz ha- ben, sind heute noch absolute Pioniere. Wirtschaftlich zahlt sich das bisher nur im biologischen Landbau aus, um müh- same und teure Handarbeit zu ersetzen - und hier wiederum hauptsächlich bei Gemüse-, Kräuter- und sonstigen Spe- zialkulturen. Man wird sehen, wie sich der Trend fortsetzt und ob durch die verstärkte Marktdurchdringung mittel- fristig Anschaffungskosten sinken und die Technologiereife steigt. Sollte das nicht eintreten, werden solche Roboter wohl noch längere Zeit Spezialanwen- dungen für einzelne Nischen bleiben. Know-How gefragt und deren Software-Steuerung, vor al- lem aber auch die Berücksichtigung in der betrieblichen Ausrichtung, Planung und Entscheidungsfindung. In wieweit passen Roboter und ihre Funktionalitäten zu den für meinen Betrieb geeigneten Kulturpflan- zen? Wie wird es mit meinem Tierbestand in den nächsten Jahren weitergehen? Wel- chen Einfluss haben Robotiksysteme auf meine verfügbaren Arbeitskräfte und deren Einsatzzeit und können wirklich auch alle Familienmitglieder, die am Hof mithelfen, damit umgehen? Und nicht zuletzt: Welche wirtschaftlichen Verbesserungen erwarte ich mir im Verhältnis zu den Anschaffungs- kosten? Denn egal, welche neuen Lösungen so manchen Bauernhof in den kommenden Jahren noch erreichen könnten, eines ist klar: Letztlich ist der beste Roboter immer nur so gut wie die betriebliche Strategie hin- ter dessen Einsatz. Fakt ist, dass neue Formen der Produkti- on und der dahinterliegenden Technologie eine neue Form von Know-How und somit Weiterbildung bedürfen. Dies betrifft zum einen die Handhabung neuer Hardware DI Martin Hirt, BEd, Leitung „Digitalisierung und nachhaltige Betriebsentwicklung“ Landwirtschaftskammer Österreich, Wien ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
19 wirtschaft economy AGRIFOOD WIRD FIT FÜR 2050! DAS ERASMUS BLUEPRINT PROJEKT AGRIFOODSKILLS BILDET DIE BASIS FÜR DIE STRATEGISCHE ENTWICKLUNG DES AGRIFOOD PACT FOR SKILLS, EINER FLAGSHIP INITIATIVE DER SKILLS AGENDA DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION. DIE LEBENSMITTELVERSUCHSANSTALT IST EIN PARTNER IN ÖSTERREICH. MICHAEL BRUGGER durch das AGRIFOODSKILLS Obser- vatorium gewährleistet, das in Arbeits- gruppen organisiert die erzielten Resul- tate zusammen mit den Mitgliedern des Paktes weiterführt. Das Konsortium, bestehend aus 29 Part- nern aus 13 Ländern, wird essenziell benötigte Kompetenzen und Lücken der angesprochenen Sektoren identifizieren und darauf aufbauend neue Strategien zur Kompetenzentwicklung entwickeln. Diese werden auf nationale Ebene herun- tergebrochen, um den Bedürfnissen und unterschiedlichen Anforderungen der Länder Rechnung zu tragen. Gleichzeitig werden die entwickelten Curricula und Bildungspläne Qualitätsstandards der EU, wie ESCO und EQAVET, einhalten. Implementiert werden diese mittels Mi- krozertifikaten, gruppiert nach Kompe- tenzbereichen (EQR-Stufen 3–5, 6–8). Z iel ist es, Arbeitskräfte in Landwirtschaft, Lebensmit- telverarbeitung und Vete- rinärsektor höher zu quali- fizieren, um für zukünftige berufliche Herausforderungen besser gewappnet zu sein. Dafür werden innovative Inhalte (z. B. Deep Tech, KI, neue Lebensmittel, Digitalisierung, Nachhaltigkeit/Kreis- laufwirtschaft) in der Formulierung der Curricula auf verschiedenen Bildungs- ebenen berücksichtigt. Ergebnisse frü- herer Blueprint-Projekte werden im Pro- jekt inkludiert und weiterentwickelt. International anerkannte Kooperation für national benötigte Kompetenzen Ziel des AGRIFOODSKILLS-Projekts ist die Etablierung einer funktionellen Basis für den Agrifood Pact for Skills. Langfristiger Erfolg und Bestehen wird Become a member! – Policy Forum 2050 Begleitend zum Projekt wird das jährlich abgehaltene Policy Forum 2050 als stra- tegische Plattform zur Festlegung der Richtung und Ressourcen von Arbeits- gruppen dienen. Mit Input der EU-Kom- mission, diverser Generaldirektionen und internationalen Experten ist das Fo- rum 2050 in der einzigartigen Position, globalen Herausforderungen im berufli- chen Bildungsbereich zu begegnen und zukünftige training policies zu gestalten. Michael Brugger, MSc., Lebensmittelversuchsanstalt, Wien JOIN THE AGRIFOOD PACT FOR SKILLS UNTER: https://ec.europa.eu/eusur- vey/runner/Pact_for_Skills_ FORM © EC.EUROPE.EU volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
20 technik technology LUFTIG LEICHT AUS ERBSENSCHAUM LEBENSMITTELSCHAUM AUS HÜHNEREI-EIWEISS MACHT GEBÄCK ODER KUCHEN LOCKER UND LUFTIG. AN EINER PFLANZLICHEN ALTERNATIVE AUS HÜLSENFRÜCHTEN ARBEITEN FRAUNHOFER-FORSCHENDE IM PROJEKT „LEGUFOAM“. I mmer mehr Menschen ernäh- ren sich gesundheitsbewusst und wünschen sich gleichzeitig ethisch unbedenkliche, vegane Produkte. Diesen Bedarf adressieren wir mit dem Projekt LeguFoam“, erklärt Dr. Maike Föste, leitende Wissenschaftlerin in der Abteilung Verfahrensentwicklung Le- bensmittel am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising bei München. Die Initiative wird vom Bundesministerium für Wirt- schaft und Klimaschutz (BMWK) geför- dert. Zur Herstellung des Lebensmittel- schaums nutzen sie und ihr Team Meh- le aus Erbsen. „Diese sind bei richtiger Verarbeitung geschmacklich sehr neutral und deshalb gut geeignet“, sagt Föste. Das Proteinkonzentrat wird dabei aus einer Mehl-Wasser-Suspension gewon- nen. Durch Zugabe von Lauge nimmt der pH-Wert zu und Proteine werden gelöst. Nach anschließender Zentrifu- gation lassen sich mithilfe von Mem- bran-Trennverfahren die Proteine weiter aufkonzentrieren. Im nächsten Schritt erfolgt die Analyse und Charakterisie- rung des Proteinkonzentrats. Die For- schenden interessieren sich dabei beson- ders für die Fähigkeiten des Proteins zur Schaumbildung und die Langzeitstabili- tät des Schaums. Proteine stabilisieren Gasbläschen Schaum entsteht, wenn durch Schlagen Luftbläschen in ein flüssiges Gemisch eingetragen werden. Proteine legen sich dabei als Film um die Grenzflächen der Gasbläschen und stabilisieren sie damit. Je besser die funktionellen Gruppen der Proteine an den Bläschen andocken, desto mehr schaumige Masse kann ent- stehen und desto langzeitstabiler ist sie. Um die Fähigkeit des Erbsen-Protein- © ADOBE STOCK – ANTICHRISTH ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 konzentrats zur Schaumbildung zu ver- bessern, nutzt das Forschenden-Team am Fraunhofer IVV die Homogeni- sierung durch hohen Druck. Damit lässt sich die Proteinstruktur gezielt funktionalisieren und die Fähigkeit zur Schaumbildung steuern. Bei der Charak- terisierung und Funktionalisierung der Proteinkonzentrate kam den Forsche- rinnen und Forschern die langjährige Erfahrung im Umgang mit Hülsenfrüch- ten, sogenannten Leguminosen, und pflanzlichen Proteinen zugute. Dabei erproben die Forschenden auch, wie lange die schaumige Masse ihre Konsistenz behält. Nach dem Aufschla- gen des Proteinkonzentrats bleibt der entstandene Schaum in einem Gefäß mit definierter Größe für einen festgelegten Zeitraum stehen. Anschließend prüfen die Forschenden, wie viel Schaum noch übrig bleibt. „Inzwischen kommt unsere Verfah- renstechnik mit den Leguminosen der Qualität von tierischem Eiweißschaum schon recht nahe“, freut sich Föste. Im nächsten Schritt arbeitet das Team dar- an, die Langzeitstabilität noch weiter zu verbessern. In einer ersten sensorischen Evaluierung haben die Fraunhofer-Forschenden auch die geschmacklichen Qualitäten ihrer Backwaren auf Leguminosen-Basis ge- testet. Das Ergebnis: Feinschmecker und Liebhaber süßen Gebäcks in Konditor- qualität bemerken zwar durchaus noch Unterschiede. Trotzdem konnte die pflanzliche Alternative auch geschmack- lich überzeugen. Quelle: fraunhofer.de
21 technik technology INNOVATION DURCH KOOPERATION – LEBENSMITTEL CLUSTER NÖ S eit fast 20 Jahren vernetzt der ecoplus Lebensmittel Cluster NÖ im Rahmen überbetrieb- licher Kooperationsprojekte Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Unter dem Motto „Innovation durch Kooperation“ arbei- ten Akteurinnen und Akteure aus der Lebensmittelwirtschaft gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Entwick- lung, Aus- und Weiterbildung sowie Dienstleistern an neuen, zukunftsfähi- gen Antworten auf die Herausforde- rungen der Branche. Die Erfahrung aus rund 200 erfolgreichen Kooperations- projekten zeigt, dass neue Konzepte und Innovationen in der Lebensmittelbran- che gemeinsam mit anderen einfacher und erfolgreicher zu entwickeln und umzusetzen sind als im Alleingang. In allen Projekten des ecoplus Lebensmittel Cluster wird daher gemeinsam geforscht und entwickelt, es wird von- und mitei- nander gelernt – ein offener Austausch, der von den Unternehmen besonders ge- schätzt wird. Thematisch drehen sich die Projekte um die Bereiche Nachhaltige Ressourcennutzung sowie Lebensmittel- qualität und -sicherheit. NÖ Unternehmen als Vorreiter Der Klimawandel verändert die Eigenschaf- ten vieler heimischer Nutzpflanzen. Im Forschungsprojekt „CLIC – Climate-smart grain crops“, gefördert als internationales CORNET II Projekt aus Mitteln der FFG, arbeiten 10 österreichische Betriebe und weitere aus Deutschland gemeinsam mit drei F&E-Einrichtungen zusammen. Ziel ist es, Technologien zu entwickeln, die die Nutzung von Sorghum und anderen Kör- nerfrüchten in westlichen Lebensmitteln ermöglichen. Die Rohstoffe können für Backwaren, Pasta oder Snacks verwendet werden. Die Forschung umfasst die gesam- te Wertschöpfungskette, von der Rohstoff- produktion bis zur Endverarbeitung, um eine effiziente und ressourcenschonende Nutzung zu gewährleisten. Das Projekt läuft bis Ende 2025. Ein kooperatives Fol- geprojekt ist bereits in Planung. Unter dem Motto „Greenbalance“ sol- len ab 2026 innovative Lebensmittel aus Hülsenfrüchten und Getreide entwickelt werden. Die gezielte Kombination und Aufbereitung der Rohstoffe unterstützt die Herstellung von nährstoffreichen Pro- dukten. Zielgruppe sind Unternehmen aus den Branchen Müllerei, Backwaren, Teigwaren, Cerealien, Pflanzendrinks, Breie, Instantprodukte und Snacks. Eine Teilnahme am kooperativen Forschungs- projekt „Greenbalance“ ist noch mög- lich. Detailinformationen gibt es beim ecoplus Lebensmittel Cluster NÖ – siehe Kontakt. Gemeinsam zur Dekarbonisierung Rohstoffe, Energie, Wasser und Boden sind wertvolle Ressourcen, die bei der Produk- tion von Lebensmitteln ganz besonders im Fokus stehen. Das Kooperationsprojekt „Decarb4SME+“ unterstützt die Projekt- partner dabei, Energieeinsparpotentiale im eigenen Betrieb zu identifizieren und zu nüt- zen, sowie mögliche Alternativtechnologien zu evaluieren. Das Ziel ist die Entwicklung einer Dekarbonisierungsstrategie für die teilnehmenden Unternehmen. Der Weg bis dahin ist vor allem für KMU herausfordernd. Im Projekt „Decarb4S- ME+“ lernen die Betriebe im engen Aus- tausch mit den anderen Projektpartnern, mit den Anforderungen erfolgreich umzu- gehen. Um von den Erfahrungen der wei- teren Projektpartner zu profitieren, finden alle Projekttermine direkt bei den teilneh- menden Unternehmen vor Ort statt. Das Projekt „Decarb4SME+“ wird als „Inno- vationscamp“ im Rahmen der Qualifizie- rungsoffensive des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus (BMWET) aus Mitteln der FFG gefördert. Dekarbonisierungsziele nachhaltig zu errei- chen und zu halten, ist für Unternehmen, die im Sinne der CSRD berichtspflichtig sind, sowie für KMU im Rahmen ihrer Lieferkette eine zentrale Aufgabe. Gerade kleine und mittelständische Lebensmit- telproduzenten stehen zunehmend vor ESG-bezogenen Anforderungen, auch wenn sie (noch) nicht berichtspflichtig sind. Um diese Herausforderungen zu be- wältigen, bietet das Cluster-Projekt „ESG-Fahrplan für die nachhaltige Le- bensmittelproduktion in Anlehnung an die VSME Berichtslegung“ Unterstüt- zung. Dieses Projekt begleitet lebensmit- telproduzierende Unternehmen auf ihrem Weg zu einem freiwilligen, praxisnahen Nachhaltigkeitsbericht, angepasst an die Realität kleiner und mittlerer Betriebe. Eine Teilnahme ist noch möglich. ecoplus Lebensmittel Cluster Niederösterreich Der ecoplus Lebensmittel Cluster Niederösterreich stärkt durch die Begleitung von Kooperationsprojekten die Innovationstätigkeit des heimischen Lebensmit- telsektors und festigt so die vorhandenen Kompetenzen in den Bereichen Lebens- mittelproduktion, -technologie und -vermarktung. Der ecoplus Lebensmittel Cluster NÖ wird über das Projekt „NÖ Innovations- ökosystem“ von der europäischen Kommission kofinanziert. Verantwortlich sind das Wirtschafts- und das Landwirtschaftsressort, die operative Umsetzung erfolgt durch ecoplus, die Wirtschaftsagentur des Landes Niederösterreich. Kontakt: Clustermanagerin Magdalena Resch, m.resch@ecoplus.at www.lebensmittelcluster-noe.at, www.ecoplus.at volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION G N U T L A H C S N E E H C L T L E G T N E I I
22 technik technology KOSTENOPTIMIERUNG BEI VERPACKUNG KOSTENOPTIMIERUNG IN DER VERPACKUNGSPRODUKTION WIRD IMMER WICHTIGER. MIT EFFIZIENTEN PROZESSEN, MATERIALEINSPARUNGEN UND NACHHALTIGEN LÖSUNGEN KÖNNEN UNTERNEHMEN IHRE KOSTEN SENKEN UND WETTBEWERBSFÄHIG BLEIBEN. U m sich im Wettbewerb durch- zusetzen, müssen Verpa- ckungsunternehmen ihre Kos- ten möglichst gering halten. Gerade in Zeiten steigender Material- und Energiekosten wird die Kostenoptimie- rung daher zu einem zentralen Erfolgsfak- tor. Der Fokus möglicher Stellschrauben liegt dabei nicht nur auf der Reduzierung der Materialkosten, sondern auch auf der Effizienzsteigerung des gesamten Produk- tions- und Lieferprozesses. Mit gezielten Maßnahmen lassen sich Einsparungen erzielen, die weder die Qualität noch den Produktschutz kompromittieren. Die Entwicklungen am Markt wie die stark gestiegenen Preise für Verpa- ckungsrohstoffe – Glas um 24 % und Plastik um 35 % innerhalb von drei Jahren – machen deutlich, wie wichtig effiziente Verpackungslösungen gewor- den sind. Unternehmen, die weniger Rohstoffe verbrauchen, profitieren von reduzierten Kosten und leisten darüber hinaus einen Beitrag zum Umweltschutz. Dies lässt sich beispielsweise durch Größenanpassungen, den Einsatz alter- nativer Materialien oder effiziente Ver- packungsprozesse erreichen. Eine um- fassende Analyse des gesamten Prozesses hilft dabei, Engpässe zu identifizieren und Optimierungspotenziale zu nutzen. Prozessoptimierung Ein Schlüssel zur Verbesserung der Ver- packungsprozesse liegt in den Mög- lichkeiten der Automatisierung. Denn automatisierte Verpackungsprozesse reduzieren den manuellen Arbeitsauf- wand, minimieren Fehler und beschleu- nigen die Produktion. Die anfänglichen Investitionen in mo- derne Maschinen und Anlagen amorti- sieren sich dabei durch die langfristigen Einsparungen. Immer wichtiger wird in diesem Zusam- menhang die Nutzung von Daten. Wer- den Daten beim Verpackungsprozess sys- tematisch erfasst und ausgewertet, lässt sich kontinuierlich Optimierungspoten- zial ausschöpfen. Durch die Analyse von Kundenfeedback, Materialverbrauch und Produktionsdaten können präzise Ent- scheidungen getroffen werden. Unterstützung bietet hier zunehmend künstliche Intelligenz (KI). Eine bemer- kenswerte Entwicklung im Bereich der Verpackungstechnologie ist beispielsweise die Fähigkeit von KI, Verpackungsgrößen und -formen exakt an die Bedürfnisse ein- zelner Produkte anzupassen. Dies führt zu einer deutlichen Redukti- on des Verpackungsmaterials und ver- bessert die Nachhaltigkeit. Auch in der Produktion trägt KI entscheidend zur Effizienzsteigerung bei. Maschinenüber- wachung und Predictive Maintenance sorgen seit Jahren dafür, dass Ausfall- zeiten reduziert und Wartungen bedarfs- orientiert durchgeführt werden können. Dies spart nicht nur Kosten, sondern schont auch Ressourcen. Die Senkung des Energieverbrauchs von Verpackungsmaschinen ist ein wei- terer wichtiger Hebel. Moderne Anlagen mit energieeffizienten Komponenten wie Motoren und intelligenten Steue- rungen, regelmäßige Energieaudits und geschultes Personal tragen dazu bei, die Betriebskosten zu reduzieren. Material- und Designoptimierung Die Weichen für die Kostenstruktur von Verpackungen werden bereits beim Ver- packungsdesign gestellt. Die Wahl des richtigen Verpackungsmaterials und ein durchdachtes Design sind entscheidend, um Kosten zu senken, ohne die Funktio- nalität zu beeinträchtigen. Ein zentrales Ziel der Material- und Designoptimierung ist es, Überverpa- ckungen zu vermeiden und gleichzeitig sicherzustellen, dass Produkte nicht durch Unter- oder Falschverpackun- gen beschädigt werden. Zu viel Ver- packungsmaterial erhöht die Kosten unnötig, während eine unzureichende Verpackung häufig Produktschäden nach sich zieht. Die Lösung liegt in einem intelligenten Design – auch mit Unterstützung von KI – , das beispielsweise durch passge- naue Innenverpackungen, Gewichtsre- duktion durch materialeffiziente Alter- nativen und eine optimale Stapelbarkeit überzeugt. Letztere sorgt nicht nur für eine bessere Auslastung von Transport- einheiten, sondern auch für eine Sen- kung der Transportkosten. Ein weiterer Vorteil gut durchdachter Verpackungen liegt in ihrer schnellen Handhabung. Mit wenigen Handgriffen lassen sich diese in Betrieb nehmen und tragen so zu einer effizienteren Abwicklung bei. ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
23 technik technology verbunden sein. Eine schrittweise Ein- führung und gezielte Investitionen in recycelbare Alternativen helfen jedoch, die Balance zwischen Wirtschaftlich- keit und Umweltverantwortung zu fin- den. Beispielsweise können nachhaltige Materialien wie recycelbarer Kunststoff oder biologisch abbaubare Verpackun- gen schrittweise in bestehende Prozesse integriert werden, um die finanziellen Belastungen zu minimieren. Unternehmen, die frühzeitig auf nach- haltige und zugleich kosteneffiziente Verpackungslösungen setzen, profitie- ren langfristig. Sie sichern sich nicht nur Wettbewerbsvorteile durch ein umweltbe- wusstes Image, sondern reduzieren auch potenzielle Kosten, die durch zukünftige regulatorische Vorgaben oder veränderte Verbraucheransprüche entstehen könn- ten. Die Verbindung von Nachhaltigkeit und Kostenoptimierung ist somit sowohl ein Beitrag zur Schonung von Ressourcen als auch eine strategische Entscheidung für wirtschaftlichen Erfolg. Quelle: www.fachpack.de Messer Austria GmbH © FACHPACK.DE Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit spielt in der Verpa- ckungsbranche eine entscheidende Rolle, insbesondere im Hinblick auf Kostenoptimierung und Umweltverant- wortung. Die drei zentralen Prinzipien – Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln – bilden dabei die Grundlage für nachhaltige Verpackungskonzepte. Das Reduzieren zielt darauf ab, Mate- rialien möglichst effizient einzusetzen. Wiederverwenden fokussiert sich auf den Einsatz von Mehrwegverpackun- gen, die entweder mehrfach im selben Prozess genutzt oder flexibel für ver- schiedene Anwendungen geeignet sind. Recyceln schließt schließlich den Kreis- lauf, indem Materialien wiederverwen- det werden, sobald die Verpackung nicht mehr brauchbar ist. Der Umstieg auf nachhaltige Materiali- en kann kurzfristig mit höheren Kosten Lebensmittelgase Länger anhaltende Qualität, ansprechende Optik, sprudelnde Frische – die Aufgaben, die Gase in der Lebensmittelindustrie erfüllen, sind vielfältig. Typische Anwendungen sind das Frosten und Verpacken, das Kühlen während der Mischprozesse, das Karbonisieren von Getränken oder die Transportkühlung zur Aufrechterhaltung einer lückenlosen Kühlkette. Unsere Gases for Life erfüllen alle europäischen lebensmittelrechtlichen Vorschriften und HACCP- Anforderungen. volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION Industriestraße 5 2352 Gumpoldskirchen Tel. +43 50603-0 info.at@messergroup.com www.messer.at
24 technik technology MUNDGERECHTE HÜHNERSTÜCKE AUS DEM LABOR EIN BIOREAKTOR, DER EIN KREISLAUFSYSTEM NACHAHMT, KANN KÜNSTLICHES GEWEBE MIT NÄHRSTOFFEN UND SAUERSTOFF VERSORGEN UND SO DIE PRODUKTION VON MEHR ALS 10 GRAMM HÜHNERFLEISCH FÜR DIE VERWENDUNG IN DER FLEISCH- PRODUKTION ERMÖGLICHEN. DIESE ERGEBNISSE WERDEN IN DER FACHZEITSCHRIFT TRENDS IN BIOTECHNOLOGY VON CELL PRESS VERÖFFENTLICHT. U nsere Studie stellt eine skalier- bare Top-Down-Strategie für die Herstellung von kultivier- tem Fleisch im Ganzen vor, bei der ein durchlässiger Hohlfaser-Bioreaktor zum Einsatz kommt“, sagt der Hauptau- tor Shoji Takeuchi von der University of Tokyo. Dieses System ermöglicht die Ver- teilung, Ausrichtung und Kontraktilität von Zellen sowie verbesserte lebensmit- telbezogene Eigenschaften. Es bietet eine praktische Alternative zu gefäßbasierten Methoden und könnte nicht nur die Le- bensmittelproduktion, sondern auch die regenerative Medizin, die Arzneimittelprü- fung und die biohybride Robotik beein- flussen. Ein wesentliches Hindernis für die Re- konstruktion großflächiger Gewebe ist die Schaffung gut verteilter vaskulärer Netz- werke, da die Diffusion allein die Zellen nicht über beträchtliche Entfernungen tra- gen kann. Die Dicke von Geweben ohne integriertes Kreislaufsystem ist im Allge- meinen auf weniger als 1 mm begrenzt, was die Herstellung von zentimetergroßen oder größeren Geweben mit dicht gepack- ten Zellen schwierig macht. „Wir verwenden halbdurchlässige Hohl- fasern, die in ihrer Fähigkeit, Nährstoffe zum Gewebe zu transportieren, Blutge- fäße imitieren“, sagt Takeuchi. Diese Fasern werden bereits häufig in Haus- haltswasserfiltern und Dialysegeräten für nierenkranke Patienten eingesetzt. Es ist aufregend zu entdecken, dass diese winzigen Fasern auch effektiv dazu bei- tragen können, künstliche Gewebe und möglicherweise in Zukunft ganze Orga- ne zu schaffen. nellem Fleisch“, sagt Takeuchi. Es ist je- doch nach wie vor schwierig, die Textur und den Geschmack von ganzem Fleisch zu reproduzieren. Diese Technologie er- möglicht die Herstellung von strukturier- tem Fleisch mit verbesserter Textur und besserem Geschmack, was seine kom- merzielle Verwertbarkeit beschleunigen könnte. Neben Lebensmitteln kann diese Plattform auch die regenerative Medizin und die Soft-Robotik beeinflussen. Zu den weiteren Herausforderungen für die künftige Forschung gehören laut Takeuchi die Bestimmung der langfristi- gen Auswirkungen der Perfusion auf die Gewebequalität, die Anpassung der Tech- nologie für die Organherstellung und die biohybride Robotik sowie die weitere Ver- besserung der mechanischen Eigenschaften und der strukturellen Integrität des Ge- webes, um die Merkmale des natürlichen Muskelgewebes besser zu imitieren. „Wir haben die Herausforderung ge- meistert, die Durchblutung von dickem Gewebe zu erreichen, indem wir Hohl- fasern mit mikroskaliger Präzision an- geordnet haben“, sagt Takeuchi. Zu den verbleibenden Herausforderungen gehören die Verbesserung der Sauerstoff- zufuhr in größeren Geweben, die Auto- matisierung der Faserentnahme und die Umstellung auf lebensmittelechte Ma- terialien. Zu den möglichen Lösungen gehören die Verwendung künstlicher Sauerstoffträger, die rote Blutkörperchen imitieren, Mechanismen zur Entfernung von Faserbündeln, die die Fasern in ei- nem einzigen Arbeitsgang effizient ent- fernen, sowie essbare oder wiederver- wertbare Hohlfasern. © ADOBE STOCK – ANNA Die Autoren demonstrierten die Biofa- brikation von zentimetergroßem Skelett- muskelgewebe von Hühnern mit Hilfe eines Hohlfaser-Bioreaktors (HFB), der aus einer Anordnung von 50 Hohlfasern besteht. Darüber hinaus implementierten sie ein robotergestütztes Montagesystem für die Herstellung eines HFB mit 1.125 Fasern und produzierten ganzes Hühner- fleisch mit einem Gewicht von mehr als 10 g unter Verwendung von Hühnerfibroblas- tenzellen, die das Bindegewebe bilden. „Kultiviertes Fleisch bietet eine nachhal- tige, ethische Alternative zu konventio- ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 02.2025
Besuchen Sie uns auf der drinktec Messe in München, 15.–19. September 2025, Halle C5 Stand 461 Prozesse verbessern ist wie Segeln. Mit einem erfahrenen Partner ist einfach mehr drin. Prozesse zu optimieren und effizienter zu werden ist wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir sind Ihr Partner, der Ihnen hilft, Ertrag, Qualität und Konformität zu meistern. Mit Inline-Echtzeit-Messungen und einer Überwachung aller entscheidenden Parameter helfen wir Unternehmen, Prozesse zu optimieren, Ausschuss zu reduzieren und letztendlich den Ertrag zu erhöhen. Möchten Sie mehr erfahren? www.at.endress.com
26 technik technology CHATGPT IN DER LEBENSMITTELANALYSE KI VERÄNDERT DIE ART UND WEISE, WIE WIR ARBEITEN, INFORMATIONEN ERSTELLEN UND AUSTAUSCHEN – ABER BROWNIES? EINE NEUE STUDIE DER UNIVERSITY OF ILLINOIS URBANA-CHAMPAIGN UNTERSUCHT, WIE CHATGPT BEI DER SENSORISCHEN BEWERTUNG VON LEBENSMITTELN, INSBESONDERE VON BROWNIES, EINGESETZT WERDEN KANN. D ie Studie bietet Einblicke, die die Entwicklung neuer Pro- dukte rationalisieren und möglicherweise zukünfti- ge Rezepte verbessern könnten. O M P U T E R G E N ERATED PICTURE © C Aber warum KI für die Verkos- tung von Brownies einsetzen? Die meisten Menschen würden gerne Schlange stehen, um schokoladi- ge Leckereien zu probieren. In der Lebensmittelindustrie ist die sensori- sche Bewertung jedoch ein wichtiger, aber auch strenger und kostspieliger Prozess. Unternehmen verlassen sich so- wohl auf geschulte menschliche Tester als auch auf Verbraucherpanels, um wichtige Eigenschaften wie Geschmack, Beschaf- fenheit und allgemeine Attraktivität zu bewerten, bevor sie neue Produkte auf den Markt bringen. Darüber hinaus erweist es sich oft als schwierig, Hindernisse wie menschliche Voreingenommenheit und sensorische Ermüdung zu überwinden. „Manchmal kann es den Prozess verlang- samen, wenn man sich auf menschliche Tester verlässt, insbesondere wenn meh- rere Produktprototypen gleichzeitig be- wertet werden müssen. Sensorik-Panels erfordern Zeit und eine sorgfältige Ko- ordination, und in manchen Fällen sind bestimmte Inhaltsstoffe möglicherweise nicht lebensmitteltauglich, so dass sie für die Verkostung ungeeignet sind“, sagte Studienautor Damir Torrico, Assistenz- professor am Department of Food Science and Human Nutrition, das zum College of Agricultural, Consumer and Environmen- tal Sciences in Illinois gehört. Aus diesem Grund werden große Sprachmodelle wie ChatGPT für die sensorische Bewertung in Betracht gezogen. Es ist möglich, Model- le zu erstellen, die bestimmte menschliche Reaktionen nachbilden können. Torrico untersuchte fünfzehn ver- schiedene Brownie-Rezepte, die von Standard-Zutatenlisten bis zu ungewöhn- lichen Kombinationen reichten, darunter Mehlwurmpulver und Fischöl. Torrico stellte ChatGPT die Rezeptformeln zur Verfügung und bat die KI, die sensori- schen Eigenschaften jedes Brownies zu beschreiben, einschließlich Geschmack, Textur und allgemeinen Genuss. Torri- co kategorisierte dann die Themen der ChatGPT-Antworten, um festzustellen, ob sie positiv, negativ oder neutral waren. Überraschenderweise waren die Antworten von ChatGPT überwältigend positiv, selbst bei Rezepten mit ungewöhnlichen Zutaten. Diese Positivität steht im Einklang mit ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 dem psychologischen Phänomen, das Wis- senschaftler als hedonische Asymmetrie bezeichnen. Die hedonische Asymmetrie besagt, dass Menschen (und offenbar auch die KI) dazu neigen, Dinge, die für sie von Vorteil sind, eher positiv zu beschreiben. Nahrung hat die Aufgabe, uns satt zu halten und uns Energie zu geben, erklärt Torri- co, was Menschen dazu veranlasst, positiv auf Nahrung zu reagieren. Bei dem Versuch von ChatGPT, sich menschlich zu verhalten, schien er dieses Verhalten an den Tag zu legen. „ChatGPT hat versucht, immer die gute Seite der Dinge zu sehen“, so Torrico. Laut Torrico müssen zwar noch Fehler wie die hedonische Asymmetrie behoben wer- den, aber die Studie zeigt die potenziellen Vorteile des Einsatzes von KI bei der Le- bensmittelentwicklung. ChatGPT könnte als Screening-Tool eingesetzt werden und Lebensmittelwissenschaftlern dabei helfen, Rezeptoptionen einzugrenzen, bevor sie sie einem Verbraucherpanel vorlegen. Dadurch könnte die Industrie Zeit und Geld sparen. „Der Einsatz von KI kann allgemeine Er- kenntnisse darüber liefern, welche Pro- dukte für weitere Tests in Frage kommen und welche Produkte diesen langen Pro- zess nicht durchlaufen sollten“, so Torrico. „Ich könnte mir vorstellen, dass ChatGPT für die sensorische Bewertung entwickelt wird, um der Industrie zu helfen.“ Torrico ist vom Potenzial von ChatGPT begeistert. Für die Zukunft plant er, das Experiment zu verfeinern und ChatGPT so zu trainieren, dass es mit einem Vokabular reagiert, das dem eines menschlichen Beschreibungspanels ähnelt.
28 technik technology LISTERIEN: GAR NICHT „WURST“ EINE AKTUELLE STUDIE DER VETERINÄRMEDIZINISCHEN UNIVERSITÄT WIEN ZEIGT: AM BESTEN SIND LISTERIEN IN FISCH UND KÄSE VOR DEM STRESS IM MAGEN-DARM-TRAKT GESCHÜTZT. IN WURST IST DIE ÜBERLEBENSFÄHIGKEIT DER POTENZIELL TÖDLICHEN BAKTERIEN HINGEGEN DEUTLICH GERINGER. _ S T A E OBE STO C K – B D A D afür verantwortlich ist laut den Forschern die unter- schiedliche Lebensmittelma- trix der Lebensmittel, also © die Zusammensetzung ihrer Inhalts- stoffe. Genau hier sehen die Forscher deshalb auch einen Ansatzpunkt, um das Listerien-Risiko zu reduzieren. Mit Listeria (L.) monocytogenes kontaminierte Lebensmittel sind die Hauptursache für Listeriose beim Menschen, einer seltenen jedoch ge- fährlichen Infektionskrankheit. Bis dato war jedoch unklar, wie sich eine unterschiedliche Lebensmittelmatrix auf das Überleben und die Virulenz im Ma- gen-Darm-Trakt auswirkt. Um auf diese Frage erstmals eine Antwort zu geben, untersuchten die Forscher drei verzehrfertige Lebensmittel: Weichkäse, Räucherlachs und Knackwurst. Diese wurden anhand eines Lebensmit- tel-Infektionsmodells des Magen-Darm- Trakts untersucht. Dazu Nadja Pracser vom Zentrum für Lebensmittelwissen- schaften und Öffentliches Veterinärwe- der Vetmeduni: „Wir beobachteten stammabhängige Wachstumsraten, wo- bei die Lebensmittelmatrix keinen si- gnifikanten Einfluss hatte. Die Art der Nährstoffquellen veränderte jedoch die Genexpression. Das jeweilige Lebens- mittel beeinflusste deutlich das Über- leben von Listerien im Magen-Darm- Trakt und auch die Virulenz.“ Überlebensrate von Listerien Die Überlebensrate von L. monocyto- genes war in Käse und Fisch höher als in Wurst, was laut den Forscher:in- nen auf deren geringere Pufferkapazi- tät gegenüber den pH-Dynamiken im Magen-Darm-Modell zurückzuführen ist. Weiters war die Invasionseffizienz in den Darmepithelzellen des Modells (Caco-2-Zellen) bei Fisch am höchsten, was möglicherweise mit seiner Fettsäu- rezusammensetzung zusammenhängt. RUSH B E V A – F K C O T S E B O D A © s e n ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 Zudem veränderten die Lebensmittel- matrizen und die Bedingungen im Ma- gen-Darm-Trakt die transkriptionellen Profile von stressassoziierten und Viru- lenz-Genen. „Die Passage durch das Magen-Darm-Trakt-Modell führte zur Hochregulierung von 23 Stress- genen und 29 Virulenzgenen“, so Nadja Pracser. Veränderung des Fett- und Proteingehalts Laut den Forschern könnte die Verän- derung des Fett- und Proteingehalts in Lebensmitteln ein Weg sein, die Überle- bensfähigkeit von L. monocytogenes in Hochrisiko-Lebensmitteln im Magen- Darm-Trakt zu verringern und so die Le- bensmittelsicherheit zu verbessern. „Die Ergebnisse unserer Studie deuten außer- dem darauf hin, dass die Eigenschaften von Räucherlachs in Kombination mit den Bedingungen im Magen-Darm- Trakt die Virulenz erhöhen. Zukünftige Forschungen könnten den Mechanismus hinter diesem Effekt aufdecken, um ihn für Verbesserungen im Bereich der Le- bensmittelsicherheit zu nützen“, erklärt Kathrin Kober-Rychli vom Zentrum für Lebensmittelwissenschaften und Öffent- liches Veterinärwesen der Vetmeduni. Außerdem betont Kathrin Kober-Rychli: „Der Umstand, dass die Lebensmittel- matrix einen direkten Einfluss auf das Ver- halten und das pathogene Potenzial von L. monocytogenes hat, unterstreicht, wie wichtig das Verständnis dieser Wechsel- wirkungen für die Lebensmittelsicherheit und die öffentliche Gesundheit ist.“ Quelle: Vetmed Vienna
30 technik technology NIE WIEDER RANZIGE HASELNÜSSE EINE NEUE METHODE IDENTIFIZIERT RANZIGE HASELNÜSSE, OHNE SIE AUS DEM BEUTEL ZU NEHMEN – DIE VON DER SPANISCHEN UNIVERSITÄT ROVIRA I VIRGILI URV GELEITETEN FORSCHUNGEN VERWENDEN INFRAROTLICHT, UM DEN OXIDATIONSZUSTAND DER FETTSÄUREN VON HASELNÜSSEN ZU BESTIMMEN, OHNE SIE ZU ZERSTÖREN – EINE TECHNOLOGIE, DIE DEM SEKTOR NEUE QUALITÄTSSTANDARDS BIETEN KÖNNTE. E in Forscherteam der URV hat eine Methode entwickelt, mit der durch Oxidation verdorbene Nüsse identifiziert werden kön- nen. Das Verfahren nutzt Infrarotlicht, um die chemische Zusammensetzung von Ha- selnüssen zu bestimmen, ohne sie aus der Schale zu nehmen. Das neue System überwindet die Grenzen herkömmlicher Methoden und ermöglicht es, den Zustand aller Haselnüsse in einer Packung in einer einzigen Analyse zu be- stimmen, ohne dass die Probe vorbereitet oder zerstört werden muss. Die Autoren argumentieren, dass die Anwendung die- ser Technologie dazu beitragen würde, die Verpackungstechniken und die Vertriebs- systeme zu verbessern und die Verluste im Nusshandel erheblich zu verringern, wäh- rend gleichzeitig neue Qualitätsstandards für den Sektor geschaffen würden. Katalonien ist ein Land der Nüsse, insbesondere in den südlichen Regionen des Landes. Obwohl der Sektor vor allem von Mandeln dominiert wird, steht die Haselnuss an zweiter Stelle der Jahrespro- duktion. In Katalonien gibt es mehr als 90 Genossenschaften, die Nüsse im Ge- samtwert von mehr als 75 Millionen Euro produzieren, und der Sektor ist stark ex- portorientiert. Nach Angaben des katala- nischen Verbands der landwirtschaftlichen Genossenschaften befinden sich die meisten Genossenschaften, die Haselnüsse produ- zieren, in der Region Tarragona. Gute Praktiken bei der Verarbeitung, der Verpackung und dem Vertrieb dieses Produkts sind von entscheidender Be- deutung, um Verluste zu vermeiden und seine Qualität langfristig zu gewährleis- ten. Bei Haselnüssen führt die Oxidation der in ihnen enthaltenen ungesättigten Fettsäuren dazu, dass sie ranzig werden. Der Kontakt mit Sauerstoff und die Ein- wirkung von Licht verstärken diese Re- aktionen. „Das bedeutet, dass die Oxi- dationsgeschwindigkeit zunimmt, wenn die Nüsse nicht richtig verpackt sind“, erklärt Jokin Ezenarro, Forscher am Ins- titut für analytische und organische Che- mie der URV und Hauptautor der Studie. Hyperspektralkameras Vor diesem Hintergrund hat das For- schungsteam ein System zur Überwachung der Oxidation von Haselnüssen entwickelt, das es Erzeugern und Händlern ermöglicht, die Qualität der Nüsse vor dem Kauf oder Verkauf zu bestimmen. Die von Ezenarro entwickelte Methode verwendet eine Hy- perspektralkamera, ein Gerät, das in der Lage ist, den Oxidationszustand der gesam- ten Verpackung zu bestimmen: „Es handelt sich um ein Spektralphotometer, das an je- dem Punkt einen Lichtstrahl anlegt und je nach Wechselwirkung Informationen über die Zusammensetzung der Probe liefert“. Das Gerät arbeitet mit Infrarotstrahlung, die eine längere Wellenlänge als sichtba- res Licht und eine niedrigere Frequenz als grünes Licht hat, was sie für das mensch- liche Auge unsichtbar macht. „Alle orga- nischen Moleküle absorbieren infrarotes Licht; die Frequenzen, bei denen sie dies tun, und die Intensität, mit der sie dies tun, variieren je nach ihrer Zusammensetzung“, erklärt der URV-Forscher. So können sie Nüsse mit chemischen Verbindungen iden- tifizieren, die durch Oxidation entstanden sind. Während Spektrometer traditionell für die Untersuchung eines einzigen Punktes in ei- ner Probe konzipiert waren, ändern Hyper- spektralkameras dieses Paradigma. Wie bei einer herkömmlichen Kamera, bei der viele Lichtpunkte, Pixel das Bild ausmachen, be- stimmen diese Geräte das Infrarotspektrum einer gesamten Oberfläche. In diesem Fall handelt es sich um einen Wettbewerbsvor- teil, der es ermöglicht, den Oxidationszu- stand einer ganzen Tüte Haselnüsse zu be- stimmen, ohne sie überhaupt aus der Tüte zu nehmen. Laut Ezenarro findet in der analytischen Chemie eine Abkehr von zerstörerischen und mühsamen Analysemethoden statt: „Diese neuen Techniken sind umwelt- freundlicher; sie benötigen keine Reagen- zien und keine Probenvorbereitung; bei dieser Methode muss das Messgerät nicht einmal mit der Probe in Kontakt kommen“. Das korrekte Funktionieren der Technik hängt von Variablen wie dem Material oder der Dicke der Verpackung ab, die das Infra- rotspektrum beeinflussen können. Um eine Beziehung zwischen dem von der Kamera erfassten elektromagnetischen Spektrum und der Qualität – und dem Oxidationszu- stand – der Haselnüsse herzustellen, musste das Forscherteam das Gerät kalibrieren. Zu diesem Zweck wurden die Haselnüs- se 78 Tage lang unter verschiedenen Be- dingungen bebrütet, von denen einige für die Konservierung vorteilhafter waren als andere. Dazu gehörten die Vakuumverpa- ckung, die Lagerung in einer schützenden Stickstoffatmosphäre, die Exposition an der Luft und die Exposition gegenüber ver- ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
schiedenen Lichtverhältnissen. Anhand die- ser Daten konstruierten sie ein mathemati- sches Modell, mit dem sie die analytischen Daten der Probe mit ihrem Erhaltungszu- stand vergleichen konnten. Mit der neuen Methode konnten die Forscher bestätigen, dass die Hauptur- sachen für die Oxidation der Haselnüsse die Atmosphäre, mit der sie in Kontakt kommen, und das Licht, dem sie ausge- setzt sind, sind, wobei die Lagerungszeit die wichtigste Triebkraft für den Oxidati- onsprozess ist. „Wir konnten nachweisen, dass das Vakuumverpackungsverfahren am wirksamsten ist und dass die Lichteinwir- kung die Stabilität des Produkts erheblich beeinträchtigt“, erklärt Ezenarro. Obwohl das Team nachweisen konnte, dass es aufgrund von Oxidationsprozessen messbare chemische Veränderungen auf der Oberfläche von Haselnüssen gibt, wollte es noch einen Schritt weiter gehen und fest- stellen, ob sich diese auf das sensorische Erlebnis des Verbrauchers auswirken. Laut Ezenarro ging es dabei eher darum, „die Methodik zu validieren, d. h. festzustellen, ob das, was wir messen, auch vom Men- schen wahrgenommen werden kann“. Die Ergebnisse der sensorischen Tests zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen den mit der Spektroskopie beobachteten Daten und dem sensorischen Empfinden der Men- schen gibt: Die in Kontakt mit der Atmo- sphäre gelagerten und dem Licht ausgesetz- ten Proben waren deutlich ranziger. Der neue Trend zur Entwicklung von Methoden zur Qualitätskontrolle von Pro- dukten, ohne sie zu zerstören, bietet den Unternehmen in vielen verschiedenen Sek- toren einen Wettbewerbsvorteil. Im Scha- lenfruchtsektor würde sie dazu beitragen, Verpackungstechniken, Lagerungs- und Vertriebssysteme zu verbessern und Ver- luste deutlich zu verringern, während sie gleichzeitig neue Qualitätsstandards bietet. Obwohl die Technologie noch nicht für je- dermann verfügbar ist (die benötigten Ge- räte können mehr als 50.000 Euro kosten), tauchen bereits Systeme auf, die mit Verfah- ren, die dem von Ezenarros Team entwi- ckelten sehr ähnlich sind, zwischen bitteren und süßen Mandeln oder zwischen Kunst- stoffen in einer Recyclingkette unterschei- den können. In den Worten des Forschers selbst: „Die Hyperspektralkamera ist da, um zu bleiben“. 31 technik technology HYGIENISCH, EFFIZIENT, ZERTIFIZIERT: ABSAUGSYSTEME VON DUSTCONTROL FÜR DIE LEBENSMITTELINDUSTRIE I n der Lebensmittelproduktion sind Hygiene und Prozesssicherheit es- senziell. Dustcontrol bietet zentra- le Absaugsysteme, die speziell für die Anforderungen der Branche entwickelt wurden. Die Komponenten bestehen aus säurebeständigem Edelstahl (1.4404), sind innen poliert (Ra 0,8 µm) und er- füllen die Normen EN 1935/2004 sowie FDA-Vorgaben. Das modulare System umfasst Rohr- leitungen, Filtereinheiten wie den S11000X, Vorabscheider und auto- matisierte Steuerungen. Es ermöglicht Punktabsaugung, Reinigung und Ma- terialtransport in einem System. s i n d D u s t c o n t r o l - S y s t e m e ATEX-konform, energieeffizient und individuell anpassbar – für saubere, si- chere und wirtschaftliche Produktions- prozesse. www.dustcontrol.at PRÄZISE ABFÜLLEN UND DOSIEREN Z um Abfüllen und Dosieren von Flüssigkeiten oder flüssigen Lebensmitteln haben sich Do- simag und Dosimass seit Jahrzehnten bewährt. Die Durchflussmessgeräte von Endress+Hauser überzeugen mit höchs- ter Genauigkeit und Wiederholbarkeit, hervorragender Messstabilität und einer Vielzahl von Industriezulassungen. Die kompakte Bauform macht sie zur ers- ten Wahl für Anwendungen auf kleins- tem Raum. In der neuesten Generation sind Dosimag und Dosimass nicht nur als Puls-Version und mit integrierter Batching-Funktion erhältlich, sondern auch als intelligente Puls-Version mit IO- Link. Das erhöht die Benutzerfreundlich- keit und bewirkt die Digitalisierung bis zum Abfüllgerät. www.at.endress.com volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION I I I S T A D Z U R G S U R D N A – K C O T S E B O D A ©
32 technik technology BIOFILME – EINE UNSICHTBARE GEFAHR BIOFILME SIND POTENTIELLE KONTAMINATIONSQUELLEN IN DER LEBENSMITTEL- INDUSTRIE. WO SIE SICH VERSTECKEN UND WELCHE BAKTERIEN DARIN ZU FINDEN SIND, UNTERSUCHTE EINE STUDIE DER VETMEDUNI VIENNA IM RAHMEN DES FFOQSI-KOMPETENZZENTRUMS. B iofilme sind für eine Reihe an Problemen in der Lebensmit- telproduktion verantwortlich, so bewirken sie beispielsweise eine verringerte Effizienz von Wärme- tauschern und die Korrosion von An- lagenteilen. In Biofilmen können sich auch Verderbniserreger und lebensmit- telassoziierte Krankheitserreger (Patho- gene) wie Listerien, EHEC und Salmo- nellen befinden. Kommen Lebensmittel mit diesen Biofilmen in Berührung, kann es zu einer Kontamination kommen. Die Folge: Es kann sich die Haltbarkeit dras- tisch verringern und – im Fall von Pa- thogenen – Konsumenten können durch den Verzehr der kontaminierten Lebens- mittel erkranken. ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025
33 technik technology deshalb im Rahmen des Kompetenzzen- trums für Feed and Food Quality, Safe- ty and Innovation (FFoQSI) Biofilme in einem österreichischen fleischverarbei- tenden Betrieb. Dabei überprüften die Forscher 108 verschiedene Stellen – da- von 47 Lebensmittelkontaktflächen und 61 Oberflächen, welche nicht direkt mit Lebensmitteln in Kontakt sind – auf das Vorhandensein von Biofilmen. Forscher identifizierten eine Reihe an Hotspots für Biofilme Insgesamt konnten zehn Biofilm-Hot- spots identifiziert werden, davon fünf auf Lebensmittelkontakt-Flächen wie Schneidemaschinen und Zubehör. Sie- ben der Biofilm-positiven Proben wur- den während des Arbeitsbetriebes und drei nach der Reinigung und Desinfekti- on genommen, darunter einer auf einer Förderschnecke. Aber auch an anderen Orten lauern Biofilme, so Eva M. Wag- ner: „Weitere Biofilme entdeckten wir in Gullys und Wasserschläuchen – Stel- len, die standardmäßig nicht gereinigt werden, aber eine potentielle Kontami- nationsquelle sind. Denn Wasserschläu- che werden häufig verwendet, um ge- reinigte und desinfizierte Oberflächen von Desinfektionsmittelrückständen zu befreien. Befindet sich nun ein Biofilm im Wasserschlauch, so können frisch gereinigte Stellen – darunter auch Le- bensmittelkontaktflächen – erneut kon- taminiert werden.“ Eine weiterführende Studie, welche sich auf Biofilme in Was- serschläuchen fokussiert, soll nun Auf- schluss darüber geben, wie häufig diese sind und wie sie effektiv entfernt werden können. Häufigste Bakterien: Brochothrix, Pseudomonas und Psychrobacter Aus den Biofilm-positiven Proben iso- lierten die ForscherInnen außerdem Bakterien und charakterisierten diese. Insgesamt fand sich ein breites Spek- © ADOBE STOCK – IRINA UKRAINETS Untersuchung in österreichischem fleisch- verarbeitendem Betrieb Um negative Folgen durch Biofilme zu verhindern, ist es wichtig, zu wissen, wo sich Biofilme bilden und welche Mik- roorganismen sich darin befinden. Die Abteilung für Lebensmittelmikrobiolo- gie der Vetmeduni Vienna untersuchte Kontakt +43 316-42 80 81 info@dustcontrol.at Zentrale Absauganlagen Punktabsaugung Staubabsaugung Überkopfreinigung Arbeitsplatzreinigung volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
34 technik technology trum an Bakterien aus 29 verschiede- nen Genera (Gattungen). Dazu Kath- rin Kober-Rychli: „Aus allen Biofilmen wurden Bakterien von mindestens vier und maximal zwölf verschiedenen Gat- tungen isoliert. Das zeigt eindeutig, dass es sich um Multi-Spezies-Biofilme han- delt, es besiedeln also verschiedene Bak- terien jeweils ein und denselben Biofilm. Am häufigsten konnten wir die Biofilm- bakterien der Gattungen Brochothrix, Pseudomonas und Psychrobacter zuord- nen.“ Brochothrix und Psychrobacter sind bekannte Fleischverderbniserreger, Pseudomonaden wiederum sind für ihre gute Biofilmbildung bekannt. Deshalb ist laut Kathrin Kober-Rychli „weitere Forschung hinsichtlich der Verhinde- rung, der raschen Detektion und der Bekämpfung von Biofilmen im Lebens- mittelbereich nötig. Bis dahin ist und bleibt die regelmäßige und gründliche mechanische Reinigung die wichtigste Maßnahme in der Vorbeugung von Bio- filmen.“ Gute und schlechte Biofilme Das Kompetenzzentrum für Feed and Food Quality, Safety and Innovation (FFoQSI) untersucht verschiedene drän- gende Fragen der Futter- und Lebens- mittelindustrie. Einer der Forschungs- schwerpunkte sind Biofilme, welcher unter anderem an der Vetmed Vienna bearbeitet wird. Als Biofilm bezeichnet man eine Lebensform von Mikroorga- nismen (Bakterien, Pilzen, Archaeen und Einzeller), die sich auf sehr engem Raum an einer Oberfläche festsetzen und dort eine schützende Schicht, die sogenannte Matrix, bilden. Diese Mat- rix, welche aus Kohlenhydraten, Protei- nen und extrazellulärer DNA besteht, schützt die „Bewohner“ des Biofilms vor äußeren Einflüssen wie Desinfek- tionsmitteln, UV-Strahlung und Aus- trocknung. In der Lebensmittelindustrie findet man viele Beispiele für Biofilme. In der Milchverarbeitung und der Essig- herstellung bedient man sich Biofilmen, um einen bestimmten Effekt zu erzielen, sie sind dort also nützlich. Allerdings bietet die Lebensmittelverarbeitung auch ideale Bedingungen für ungewollte Biofilm-Bildung. Quelle: Vetmed Vienna HIGHLIGHTS UNSERER PARTNER WINKLER AG Modulare Heizsysteme – von Analyseleitungen über Heizmanschetten bis zu individuell gefertigten Silikonheizmatten. Die bewährte Quick-Look- Verbindungstechnik bietet flexible Lösungen für Prüfstandstechnik und mobile Anwendungen. LABOM Fortschrittliche Druck- und Temperaturmesstechnik: Selbstüberwachende, redundante Temperatur- messstellen und die REconnect Schnellkupplung für eine vereinfachte Wartung. Eine neue Prüf- vorrichtung optimiert die Zustandsprüfung kalibrierter Messstellen. ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 Ing Wolfgang Stipanitz Mess- & Projekttechnik Tel.: 0732/770177-15; Fax: -7 www.stip.at
35 technik technology © ADOBE STOCK – DRIFTPIXELS DIE SCHÄRFE VON CHILI ZÄHMEN WENN MAN IN EINE CHILISCHOTE BEISST, ERWARTET MAN EIN FEURIGES GEFÜHL AUF DER ZUNGE. DIESE SCHÄRFE WIRD DURCH DIE CAPSAICINOID-VERBINDUNGEN HERVORGERUFEN. DOCH BEI EINIGEN PAPRIKA IST DIE SCHÄRFE TROTZ DES HOHEN GEHALTS AN CAPSAICINOIDEN AUF MYSTERIÖSE WEISE DUMPF. D ie Forscher haben jetzt, wie sie im ACS Journal of Agri- cultural and Food Chemistry berichten, drei Verbindungen identifiziert, die die Schärfe von Paprika abschwächen. Diese Ergebnisse stellen die Zuverlässigkeit der jahrhundertealten Scoville-Skala in Frage, die ihre Bewertung traditionell auf zwei Capsaicinoide stützt. „Die Entdeckung natürlicher Nahrungsbe- standteile, die die Schärfe reduzieren, bietet vielversprechende Möglichkeiten für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie“, sagt Devin Peterson, der korrespondierende Au- tor der Studie. Capsaicinoide sind eine Gruppe von Verbindungen, die für die starke Schärfe verantwortlich sind, die man beim Verzehr von Chilischoten empfindet. Die kom- binierte Menge an Capsaicin und Dihy- drocapsaicin in einer Paprika wird zur Berechnung der Schärfegrade auf der Sco- ville-Skala verwendet, die von null Scoville Heat Units (SHU) für Paprika bis zu Mil- lionen von SHU für die schärfsten Paprika reicht. Einige dieser Früchte haben jedoch weni- ger Schärfe, als man aufgrund ihrer Scovil- le-Einstufung erwarten würde, was darauf schließen lässt, dass etwas anderes in der Paprika das scharfe Gefühl beeinflusst. Da- her wollten Peterson, Joel Borcherding und Edisson Tello mehrere Chilisorten auf mög- liche Schärfehemmer untersuchen. Zunächst sammelten sie trockene, pulveri- sierte Proben von 10 Paprikasorten, darun- ter Chile de árbol, Serrano, African Bird's Eye, Fatalii und Scotch Bonnet. Der Gehalt an Capsaicin und Dihydrocapsaicin wurde mittels Flüssigchromatographie-Massen- spektrometrie bestimmt. Anschließend bewertete ein geschultes Gremium von Ge- schmackstestern die Intensität der Pulver in Tomatensaft. Jede Mischung enthielt 800 SHU (ein Wert, der als scharf, aber erträglich gelten soll). Trotz der gleichen Menge an Capsaicin und Dihydrocapsaicin in jeder Verkostungspro- be schwankte die wahrgenommene Schärfe der zehn Paprika erheblich, was darauf hin- deutet, dass andere chemische Bestandteile in den Paprika das Empfinden beeinflussten. Nach zusätzlichen Analysen der chemi- schen Zusammensetzung der Paprikapulver und der Durchführung komplexer statisti- scher Analysen identifizierten die Forscher fünf Verbindungen, die die Schärfe der Paprika beeinflussen könnten. Eine weite- re Gruppe von Probanden untersuchte, ob diese Verbindungen allein oder in Kombi- nation die Schärfe von Capsaicin und Dihy- drocapsaicin veränderten. Drei der fünf Verbindungen (Capsianosid I, Roseosid und Gingerglycolipid A) verringerten die Schärfe, obwohl sie in Kombination keine additive Wirkung hatten. Außerdem hatte keiner der Schärfehemmer einen merkli- chen Geschmack in Wasser. „Diese Fortschritte könnten die Anpas- sung der gewünschten Schärfeprofile er- möglichen oder zur Entwicklung einer Haushaltszutat führen, die übermäßige Schärfe in Gerichten abmildert – das An- ti-Gewürz“, sagt Peterson. volume 49 | 03/04.2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION
54 zeitreise time travel TERMINE __ 01.–03.07.2025 BOKU UNIVERSITY, WIEN EHEDG Austria Advanced Kurs zum Hygienic Design Kurssprache: Englisch www.lva.at __ 15.–17.07.2025 MARINA BAY SANDS, SINGAPORE Growth Asia Summit www.growthasiasummit.com __ Sagen Sie uns Ihre Meinung — Liebe Leserin, lieber Leser, hat Ihnen ein Artikel besonders gefallen oder sind Sie anderer Meinung? Auch Ihre Anregungen, Ideen und Vorschläge für Themen, Artikel oder neue Aspekte sind willkommen! Schreiben Sie uns – wir freuen uns über Ihre Reaktion! Sie können direkt den QR-Code scannen und eine E-Mail verfassen. Danke für Ihren Input! ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 49 | 03/04.2025 03.07.2025 FH SÜDWESTFALEN, SOEST, DEUTSCHLAND Mikrobiologische Richt- und Warnwerte der DGHM in Wissenschaft und Praxis www.dghm-richt-warnwerte.de __ 23.–25.09.2025 BOKU UNIVERSITY, WIEN 21st ICC Conference – 70 Jubilee of ICC Cereals and Pulses: Bridging Science and Innovation to Drive the Transformation of the Food System www.icc-conference.com __ 01.10.2025 WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH, WIEN Marktplatz Österreich für Lebensmittel und Getränke www.wko.at __
Beratung - Planung - Produktion - Montage Kistenwaschanlagen, Hygieneschleusen, Personalhygiene und Desinfektionsanlagen, Betriebseinrichtungen aus Edelstahl und Kunststoff, Türen, Niederdruck-Schaumreinigung, Edelstahl-Bodenentwässerung, Wagen- und Behälter, uvm. IHR PARTNER für Edelstahl und Technik Te l . + 4 3 7 2 4 8 6 4 4 3 4 e - M a i l : i n f o @ m o o s h a m m e r. a t w w w. m o o s h a m m e r. a t
E-Nummern sind böse? „Österreich isst informiert“ zeigt, wie es wirklich ist. Die Wissensplattform informiert über die Herstellung und die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Damit setzt die österreichische Lebensmittelindustrie ein Zeichen für mehr Sachlichkeit. Jetzt Newsletter abonnieren! oesterreich-isst-informiert.at