ebenfalls reduzieren, regte Koßdorff eine Entbürokratisierung vor allem im Bereich des Lieferkettengesetzes, der Nachhaltig keitsberichte und der Taxonomie an. Es seien vor allem Klein und Mittelbetriebe, die häufig von Regelungen überfordert seien, merkte Fellinger an und sprach sich für mehr Unterstützung seitens der Politik, aber auch seitens der Interessensvertretun gen für diese aus. „Das stärkt die Resili enz. Haben wir mehr Produzenten, sinken vielleicht auch die Preise.“ Big Data und Personalnot Während der zeitliche und finanzielle Auf wand für Untersuchungen tendenziell stei ge, sehe man auch im Labor einem Fach kräftemangel entgegen. „Hier werden wir mit angepassten Arbeitszeiten, aber auch mithilfe von Digitalisierung und KIgestütz ten Technologien gegensteuern müssen“, prognostizierte Hess. Auch einen Umgang mit den riesigen generierten Datenmengen, um sie nachhaltig nutzen zu können, gelte es zu entwickeln. Die Industrie schätze die Lebensmittelver suchsanstalt als kompetenten, professionel len Begleiter und Berater. „Der Austausch über Risiken oder Befunde bleibt eine un verzichtbare Leistung“, betonte Koßdorff und wünschte sich „auch für die nächsten 100 Jahre“ eine gute Zusammenarbeit. 100 Jahre Lebensmittel- versuchsanstalt: Veränderung als Konstante Die LVA ist ein gemeinnütziges Kompetenz zentrum für die heimische Lebensmittel branche und bietet als Mitglied der Austri an Cooperative Research ACR Leistungen wie kooperative Forschungsprojekte, Ana lysen, Bewertungen und Zertifizierungen sowie berufliche Weiterbildungen an. Gegründet wurde die Lebensmittelver suchsanstalt als Verein im Jahr 1926 in einer Zeit des Ernährungsmangels, um die Sicherheit bei Lebensmitteln zu erhö hen. So ließ sich etwa unterbinden, dass Ziegelstaub zu Paprikapulver hinzugefügt wurde. Doch erst mit dem Jahr 1958 und der Gründung des Forschungsinstituts der © LVA Claudia Hess (LVA GmbH), Florian Fellinger (BMASGPK) , Katharina Koßdorff (GF FV LMI) (v.l.n.r.) Ernährungswissenschaft (FIE) aus der For schungsabteilung der LVA begann die ei gentliche Erfolgsgeschichte. „Da Österreich seine Lebensmittelvorschriften aus der Zeit der Monarchie erst 1975 – sehr spät im europäischen Vergleich – in ein modernes Lebensmittelgesetz änderte und dieses Ge setz fast 15 Jahre lang verhandelte, herrsch te bezüglich Auslegung und Kontrolle der Vorgaben für diesen Zeitraum ein Vakuum, das der Staat durch amtliche Stellen wie die LebensmittelUntersuchungsanstalt der Stadt Wien zu füllen versuchte. Die LVA profilierte sich als privatwirtschaftlich ge führter „Gegenpol“, erzählte Michael Gart ner, der nunmehrige Präsident des Vereins. Er gründete 2008 die LVA GmbH und teilte die Geschäftsbereiche zwischen dem neu gegründeten Unternehmen und dem Ver ein Lebensmittelversuchsanstalt neu auf. Im Jahr 2021 wurde die LVA GmbH in die BBA Capitalpartners Management GmbH eingegliedert. Gartner blieb noch ein Jahr Geschäftsführer, heute leiten Philip Siegel und Helmut Rost das Unternehmen. „Es war an der Zeit, sich einer größeren Einheit anzuschließen“, begründete Gartner diesen Schritt. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen führende Lebensmittelunternehmen sowie der Fachverband. EU-Beitritt brachte Aufschwung Der EUBeitritt 1995 führte zu einem star ken Wandel der Branche, ein Großteil der damaligen Betriebe verschwand oder ging in größeren Unternehmen auf. Für die LVA bedeutete er einen enormen Aufschwung: Plötzlich wurde exportiert, auch Eigenmar 9 wirtschaft economy ken gewannen an Bedeutung. Noch heute ist die Kennzeichnungsprüfung von Lebens mitteln für den Export in über 35 Länder ein wichtiges Geschäftsfeld. Den größten Beitrag zu Umsatz und Ertrag leisten Le bensmitteluntersuchungen, dabei geht es meist um Rückstände und Kontaminanten. Als Minderheitsgesellschafter hat der Ver ein LVA, der mit zehn Prozent an der LVA GmbH beteiligt ist, weiterhin Einblick in Entscheidungen der deutschen Mutterge sellschaft und auch ein gewisses Mitspra cherecht, etwa wenn es darum geht, Unter suchungen auszulagern. Dagegen spreche grundsätzlich nichts, meinte der Vereins präsident und erläuterte: „Manches ist wirtschaftlich nicht rentabel, etwa die Di oxinAnalytik oder Pestiziduntersuchung in Trinkwasser, wo permanent neue Substan zen hinzukommen.“ Trotzdem gelte es, sich die Kompetenzen zu erhalten, Analysen beurteilen und auch externe Prüfergebnis se hinterfragen zu können, betonte er den Wert einer fundierten Ausbildung und eines forschenden Geistes. Forschung für österreichische Betriebe Die LVA sei der österreichischen Lebens mittelbranche verpflichtet und wolle auch mithilfe von angewandter Forschung Mehrwert schaffen. Derzeit läuft bei spielsweise ein Projekt zum Nachweis von Mikro plastik. Damit dies gelingt, müssen alle Bestandteile eines Lebensmittels, etwa Fett, Zucker oder Eiweiß, mittels technolo gischer Verfahrensschritte beseitigt werden, bis nur mehr eine Lösung, die eventuell dann Mikroplastik beinhaltet, übrigbleibt. „Wir haben mit Milch und Milchproduk ten begonnen. Je komplexer das Lebens mittel – Stichwort Extrawurst –, desto auf wändiger die Verfahrensschritte“, erklärte Gartner. Das Projekt, an dem neben dem Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) auch die Uni versität Bayreuth und das LeibnizInstitut für Polymerforschung Dresden als Forscher, sowie IVLV und ecoPlus als Verbände be teiligt sind, läuft noch ein halbes Jahr. Gart ner: „Wenn alles nach Plan läuft, werden wir MikroplastikAnalysen danach auch kommerziell anbieten können“. Mag. Sylvie Maier-Kubala, freie Journalistin, Wien volume 49 | 06. 2025 ERNÄHRUNG | NUTRITION